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An Sulpiz Boisserée
In diesen Letzten Tagen meines Hierseyns habe ich immer auf Ihre Ankunft gehofft, welche mir ein Brief aus Dresden versprach. Leider muß ich abreisen, ohne Sie länger erwarten zu können.
Durch Gegenwärtiges melde ich nur soviel, daß der Brief des Herrn Gesandten von Reinhard erst hier bey mir angelangt. Ich habe ihn nach Weimar erst an Herrn Legationsrath Bertuch zurückgeschickt, in der Überzeugung daß derselbe den Ort Ihres Aufenthalts am sichersten wissen werde. Ich habe auch hiervon dem Herrn Gesandten Nachricht gegeben. Ich hoffe der Brief wird nunmehr in Ihren Händen seyn.
Daß Sie einen tüchtigen Kupferstecher für die bedeutende Platte gefunden, ist mir sehr angenehm. Ich wünsche, daß soviel Menschen als möglich die Freude und das Interesse theilen, die uns Ihre Bemühungen versprechen. Möge Ihre Beharrlichkeit alle die Hindernisse überwinden, welche der Augenblick solchen Unternehmungen entgegensetzt.
An einer öffentlichen Empfehlung von meiner Seite soll es nicht ermangeln; nur bitte ich um einige Zeit, damit sie am rechten Fleck stehen könne. Mit Tages-, Wochen- und Monatsblättern bin ich außer aller Verbindung, und diese haben die böse Art, daß sie sehr oft die höchsten Worte, mit denen nur das [120] Beste bezeichnet werden sollte, als Phrasen anwenden, um das Mittelmäßige oder wohl gar Geringe zu maskiren. In solcher Gesellschaft thut ein bestimmtes vernünftiges Wort nicht seine rechte Wirkung. Doch soll, wie gesagt, was ich Ihnen schuldig zu seyn glaube, nicht ausbleiben.
Wie dem guten Cornelius zu helfen sey, sehr ich nicht so deutlich. Wie hoch schlägt er seine Zeichnungen an? und wen sich kein Verleger dazu findet, um welchen Preis würde er sie an Liebhaber verlassen?
Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit wissen, wie es mit Ihnen und Ihren Unternehmungen vorwärts geht. Leben Sie recht wohl und bleiben Sie meines aufrichtigen Antheils versichert.
Carlsbad den 26. Juny 1811.
Goethe.