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An Johann Gottfried Herder

Rom d. 25. [- 27.] Jan. 87.

Du erhältst diesmal ein starckes und schweres Packet, laß dir das Porto von Seideln wiedergeben und habe die Güte nun die letzte Hand an meine [151] Wercklein zu legen, auch die Zueignung zu korrigiren und zu interpuncktiren, dann sie mit den Platten nach Leipzig zu schicken.

Es wird auf das vorstehende Blat nur gesetzt Zueignung nicht Zueignung ans deutsche Publikum, wie es in der Anzeige hies. Was ich damals im Sinne hatte, habe ich nicht ausgeführt, vielleicht thue ich es zu Anfang des fünften Bandes oder vor dem letzten der vermischten Schrifften. Ich wünsche indeß daß du billigen mögest daß ich den Eingang des großen Gedichts hierher setze, mir scheint er auch hier paßlich und schicklich, zugleich auch sonderbar und so mag es hingehn.

Nun wird an Egmont bald gearbeitet werden, sobald ich nur erst eine rechte Bresche in die Römische Geschichte gearbeitet habe. Zwey Bücher des Livius liegen hinter mir, zur Abwechslung les ich den Plutarch. Ich freue mich sehr dir auch in der Geschichte entgegen zu kommen. Denn was du durch die Gewalt des Geistes aus der Überliefrung zusammengreifst, das muß ich nach meiner Art aus jeder Himmelsgegend, von Bergen, Hügeln und Flüßen zusammschleppen.

Frau v. Stein wird euch ein Blätgen geben, worauf ich mich beziehe.

Münter wird im May kommen und euch mancherley erzählen können. Er war zwey Jahre in Italien; wie er sie für sein Fach benutzt hat weiß ich nicht. Gegen mich hat er sich sehr gut betragen, übrigens ist [152] aber etwas tolles im Menschen. Er wird auf die Italiäner schimpfen und verschweigen wie er sich aufgeführt. Wie er mit königlichen Empfehlungsschreiben gewaffnet, die Menschen belagert und angegriffen, schickliches und unschickliches auf eine stürmische Weise verlangt und sich recht wie ein verzognes Kind bezeigt. Er wird gestehn daß er zuletzt ohne seinen Zweck zu erhalten abziehen müßen, daß man ihn zum Besten gehabt und das auf eine Art, daß er sich nicht darüber beklagen kann. Er bringt Münzen mit, die dich erfreuen werden, sein Übriges wirst du selbst beurtheilen.

Ein sorgfältiges Auge wende ich immer fort auf die verschiednen Style der Völcker und die Epochen dieser Style in sich. Man könnte Jahre sehen und würde noch immer neue Bestimmungen finden, es ist zu sehr Stückwerck was uns übrig bleibt. Dann übe ich mich die verschiednen Gottheiten und Helden zu studieren. Was die alten darin gethan haben, ist nicht ausgesprochen und nicht auszusprechen, davon möcht ich nicht reden sondern es meinen Freunden zeigen, wenn ich mich selbst erst sichrer gemacht hätte. Was sollte und könnte man hier für Fremde thun, und wie wenig geschieht! Wie wenig ist's aber auch den meisten Ernst was rechts zu sehn und zu lernen.

Die meisten denen hier Fremde in die Hände laufen haben Absichten und dann Adieu wahrer Unterricht und treue Leitung. Nach und nach rücke ich aus meiner [153] Verschantzung, aus der ich erst alles beobachtet habe und sehe Menschen, deren es gewiß treffliche hier und da im stillen giebt. Vor einigen Tagen besucht ich den Pater Jaquier einen Franziskaner auf Trinita di Monte, ein Franzose von Geburt, der durch mathematische Schrifften bekannt ist. Er ist hoch in Jahren und ein sehr verständiger Mann, Hat zu seiner Zeit die besten Männer gekannt, sogar einige Monate bey Voltairen zugebracht, der ihn sehr in Affecktion nahm.

Die Propagande näher zu sehen mach ich auch Anstalten. Der Geist der ersten Stifter scheint freylich verflogen, zur Ausbreitung der Päpstlichen Macht war es ein großes Institut.

Auf Trinita di Monte wird abermals ein Obelisk aufgerichtet, ein kleinerer der bey St. Giovanni in Lateran auf der Erden liegt, der Grund wird schon gegraben.

Das Theater hat mir noch wenig Freude gegeben, vielmehr kann ich wohl sagen, es waren meine verdrüßlichsten Stunden in Rom und doch muß man es sehen um es gesehen zu haben.

Bey Angelika bin ich manchmal die gar liebenswürdig und angenehmen Umgangs ist.

Übrigens schwelgt man hier in Rom in soviel Kostbarkeiten daß man sich offt genötigt sieht einige Tage auszuruhen und sich mit gleichgültigern Sachen zu beschäfftigen oder die Zeit zu vertrödeln.

Ich hoffe es sollen Briefe von Euch unterweegs seyn, ich habe solange nichts von Euch gehört.

[154] Und ich dencke immerfort an Euch lieben und vermiße so sehr daß jemand hier mit mir zugleich wachse und jung sey. Das Leben hier ist eine zweyte Jugend; Tischbein ist schon hier alt geworden und verhält sich in diesem Leben zu mir wie ein gemachter Mann zum Jünglinge.

Ich lese den zweyten Teil der zerstreuten Blätter immer den Künstlern wieder vor. Ich sage nicht wie gut er sich in Rom ausnimmt und wie selten es ist daß sich in Rom etwas gut ausnehme. Tischbein begreifts nicht wie du es hast schreiben können ohne hier gewesen zu seyn.

Noch eins. Wenn Münter kommt! Er prätendirt ein Manuscript zu haben das die Münzwissenschafft auf scharfe Kennzeichen, wie die Linnaische sind, zurückführt, laß dirs doch zeigen, und wenn es so ist, laß mirs abschreiben. So etwas zu machen ist möglich, gut wenn es gemacht ist und ich brauch es, denn ich muß nun auch über diese Trümmern mich ausbreiten.

Ich habe einige recht gute und solide Menschen kennen lernen, dergleichen noch manche hier in der Abgeschiedenheit stecken mögen. Übrigens hab ich sehr klüglich gehandelt im Verborgnen mich einzuschleichen, kaum war es ruchtbar; so drängte sich viel an mich, ich hatte aber schon Posto gefaßt und konnte sie auswarten. Jedem war es nicht um mich zu thun, sondern nur seine Partey durch mich zu verstärcken, als [155] Instrument wollten sie mich brauchen und wenn ich hätte hervorgehn, mich deklariren wollen, hätte ich auch als Phantom eine Rolle gespielt. Nun da sie sehen, daß nichts mit mir anzufangen ist, laßen sie mich gehen und ich mache meinen sichern Weg fort.

Lebt wohl und bleibt mit eurer Liebe bey mir; Auch heute hab ich keinen Brief von Euch erhalten. Schreibt mir doch und laßt allenfalls die Kinder schreiben. Grüßt sie und lebt wohl, ich bin immer bey euch und möchte euch nur manchmal zu mir herüber hohlen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Johann Gottfried Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9548-F