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An Sulpiz Boisserée
Endlich muß ich doch, theuerster Freund, wieder einen Anlauf nehmen mich mit Ihnen, was ich so gern thue, zu unterhalten. Ich habe für lauter Schreibens-und Druckensnoth diesen Sommer mich und alles Auswärtige vergessen; mein Schweigen soll, [239] hoffe ich, durch das, was ich nach und nach zu senden habe, einigermaßen entschuldigt werden. Zuvörderst also beziehe ich mich auf die Beylagen. In der ersten finden Sie einen abermaligen Versuch jene merkwürdige Erscheinung auf ihre Elemente zurückzuführen. Mögen Sie mir dagegen eine Abschrift schicken, wie ich den Fall zuerst ausgelegt; ich erinnere mich dessen recht wohl überhaupt, doch möchte ich das Nährere wiedersehen. Betrachten Sie nun meine neuere Auslegung abermals genau und sagen mir Ihre Gedanken darüber. Ich bin überzeugt, daß wir endlich auf das Rechte kommen!
Wahrscheinlich haben Sie mein Schweigen dem vermutheten Aufenthalt in Carlsbad verziehen, allein ich bin nicht dahin gelangt: erst konnt ich mich von meinen Arbeiten nicht trennen, dann kam Staatsrath Schultz von Berlin, dessen vierzehntägige Unterhaltung mir viel Nutzen und Freunde gebracht hat. Er haftet auf die wundersamste Weise an den chromatischen Erscheinungen und zieht sich so bedeutend in das Subject zurück, daß ich selbst ihm nur mit großer Aufmerksamkeit folgen kann. Wichtige und folgenreiche Puncte jedoch sind mir ganz klar und in's Ganze höchst furchtbar geworden.
Unsere theuere Großherzogin, nur die Kürze der Zeit bedauernd die sie der Beschauung Ihrer Bilder widmen konnte, erfreut sich an dem Eindruck der ihr festgeblieben. Sie spricht davon auf eine Weise, die[240] ich an ihr selten kenne, auch ist bey so trefflichen Werken ein empfänglicher Geist in einem Augenblick für Lebenslang ausgestattet.
Die Chur-Prinzessin von Hessen ging hier durch, Sie hat die Anbetung des Lammes von Eyck, so auch die Votivbilder von Hemmlig gesehen und wie viel nicht sonst! Sie führte sehr schöne Zeichnungen mit sich und verehrte mir eine trefflich ausgeführte Federzeichnung von Heemskerk: Daniel in der Löwengrube, No. 8 der gestochenen Folge. Sehr günstig zeugt das Original für das Zarthgefühl des Künstlers, das in der Copie verloren ging.
Hierbey will ich nicht vergessen, daß mir die Handschrift Rostopschins sehr angenehm seyn würde und was Sie mir der Art sonst senden mögen. Durch ein wunderbares Ereigniß bin ich angeregt worden meine bedeutende Sammlung wieder vorzunehemen und einzurangiren, was seit einigen Jahren eingelaufen war.
Damit dieser Brief nicht länger liegen bleibe, sende ihn fort ohne die Beylagen. Die zweyte sollte das Räthsel des Glimmerblättchens aufzulösen suchen.
Grüßen Sie Herrn Hegel vielmals und danken ihm für seinen Brief. Seine entschiedene Theilnahme hat mich sehr aufgemuntert und seine Erinnerung aufmerksam gemacht.
Auch Caspar und Melchior sollen mir schönstens gegrüßt seyn. In Gedanken bin ich täglich unter Ihnen.
Weimar d. 5. September 1817.
G. [241]