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An Charlotte von Stein
[Kochberg und Weimar, 5. – 7. Juli 1777.]
Sonnabends d. 5. Jul. Abends halb 10, Kochberg in Ihrem Schlafzimmer. Nur noch eine gute [161] Nacht. Heute komm ich von Dornburg, und bin in dem Ihrigen mit den Ihrigen. Es ist eine wehe Empfindung dass Sie nicht da sind. Gute Nacht. die Waldner und ich haben immer vergebens auf Briefe gehofft, seit der üblen Zeitung die uns Schardt brachte. Gute Nacht. Müde bin ich und 1000 Gedancken iagen sich mir im Kopfe. Ich mag ich kann nicht anfangen.
Sonntag früh. Guten Morgen beste! Wie ich erstaunt und vergnügt war da ich aufwachte. Ich hatte von Weimar geträumt und wache auf und finde mich hier. – Und Sie nicht! Vorm Jahre waren Sie da und mir wars versagt. Ich bin mit meinem Daseyn und meinen Hoffnungen wie zwischen Himmel und Erde aufgefangen. Ich höre die kleinen Singen und wirthschafften und will zu ihnen.
Sonntag Nachts. Heut früh hab ich im grosen Garten gezeichnet am Plazze wo wir neulich stillstanden und Sie mir die schöne Gegend zeigten. Ich war heut glücklich im Zeichnen, nicht eben mit der tiefen Liebe, aber eben drum in fröhlicher unbefangnerer leichtigkeit. Es ist mir ganz wohl worden von Leib und Seele alle Bürden gelüftet, als wären sie weg. Nach Tisch gingen wir Kästner und die zwey nach Weissenburg wo ganz herrliche Gegend und einzelne vollkommen schöne Pläzze sind. Kästner und ich zeichneten liessen die andern vorausgehn mit dem Boten, und verirrten uns von Mezelbach auf Kuhfras[162] und von Kuhfras auch wieder dass wir über Neusis erst um 10 nach Kochberg kamen gute Nacht Engel es ist iezt mein einziges dass ich Sie noch liebe wie immer.
Montag Abends. Ich bin wieder in Weimar und gleich aus der reinen Stimmung des gestrigen Tags. Ihr Zettelgen hab ich gekriegt, ich vermuthete den Inhalt, und das erstemal wars dass ich eins von Ihnen ungerne aufbrach. Was kan ich Ihnen sagen! Leben Sie wohl.