36/189.

An Carl Friedrich Zelter

An dem ersten musikalischen Abend, der mich seit Jahren erfreut, kommt mir deine liebwerthe Sendung, und so ward mir auf der Stelle dein neubelebendes gar heiter und kräftig vorgetragen.

Habe Dank für deinen langsam vorgeschrittenen Brief, mich erquickt höchlich jedes Wort von dir; deine Buchstaben sind herz- und sinnvoll.

Hiebey das letzte Stück Morphologie, ingleichen Kunst und Alterthum, erbaue dich daran nach deiner Weise, wo nicht unmittelbar, doch mittelbar; du verstehst ja, die Vorkommnisse symbolisch zu behandeln.

Herr Schöne hatte mir sein Manuscript geschickt, ich sah nur hie und da hinein; es ist wunderlich, daß ein sinniger Mensch das für Fortsetzung halten kann was nur Wiederholung ist, das Hauptunglück aber bleibt, daß sie haben in Prosa und in Versen schreiben lernen, und damit, meinen sie, wäre es gethan.

[234] Das Stück Kunst und Alterthum, jetzt unter der Presse, schicke ich nächstens, es überbringt manches und regt auch gewiß manches an; daß dieß bey Freunden bald geschehe, wünsche ich sehr. Der Winter geht mir ganz thätig vorüber, die Milde desselben thut mir wohl, wenn ich auch wenig auskomme; es ist nichts was ich unternahm das nicht vorschritte, und ich legitimire mich abermals dadurch als Protestanten. Auch hab ich bisher viel fremde gesehen, welches mich unterhält; es ist viel bequemer, die Menschen an sich vorbeygehen zu lassen, als an ihnen vorbeyzugehen.

Ein beyliegendes Conceptblatt kündigt an was im nächsten Stück zu erwarten ist; mögest du dadurch vorläufig zum Antheil aufgerufen werden.

Nächstens mehr! Aber auch du pausire nicht zu lange.

treulichst
W. d. 14. Dec. 1822.
G.

[Beilagen.]
Er.
Ich dacht ich habe keinen Schmerz....

Er.
Zur Trauer bin ich nicht gestimmt....
Die Gegenwart weiß nichts von sich....
[235]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-900B-E