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An Marianne von Eybenberg

Schon einige Wochen, in denen ich wieder, mit Ihrer guten Chokolade, ein erwünschtes Frühstück nehme, fühlte ich mich verpflichtet, Ihnen zu danken, und nun kommt gar Ihr lieber Brief dazu, der mich auf's Neue an diese angenehme Pflicht erinnert.

Sie haben – daß ich Sie doch auch einmal ganz direct lobe – unter so vielen liebenswürdigen Eigenschaften die besondere, daß Sie die kleinen, grillenhaften Wünsche Ihrer Freunde für etwas halten, und, um sie zu befriedigen, sich eine gefällige Mühe geben mögen. Sie wissen vielleicht selbst nicht, daß diese Eigenschaft so selten ist. Man liebt seine Freunde, man schätzt sie, man mag ihnen gern einmal einen derben Dienst, auch mit einiger Aufopferung, erzeigen, aber einem flüchtigen Geschmacke, einem launigen Einfalle, irgend einer Grille genug zu thun sind wir, ich weiß nicht, zu bequem, zu nachlässig, zu trocken, zu falsch-vornehm, und bedenken nicht, daß eben diese wunderlich scheinenden Gelüste, befriedigt, den angenehmsten Genuß geben.

[211] Mit dieser langen, aber nicht unzeitigen Reflexion soll der Dank eingeleitet werden, den ich Ihnen für die versprochnen Münzen und für die aufgefundnen falschen Juwelen schuldig bin. Mögen Sie wohl das aus diesen letzten Ihnen angebotene Halsband, das, wie Sie schreiben, aus einzelnen, an einander sich reitenden Theilen besteht, völlig anschaffen? Ich will die drey Dukaten, die es ohngefähr betragt, in das nächste Packet stecken, das ich an Herrn von Retzer abgehen lasse.

Hätte nur Herr Gentz noch einige Zeit bey uns verweilen können! Erst nach seiner Abreise fielen mir einige Fragen ein, die er mir gewiß so gut wie manche andre zu meiner völligen Zufriedenheit würde beantwortet haben. Wenn man nicht mehr reisen mag, so ist ein solcher Reisender eine höchst willkommene Erscheinung, nur Schade, daß sie von dieser Art so selten sind.

Was mich betrifft, so habe ich diesen Winter ziemlich einsam gelebt und unter andern ein etwas sonderbares Stück verfertigt, das, wie Sie aus beyliegendem Zettel sehen, gestern gespielt worden.

Die Rolle der Eugenie ist sehr bedeutend, und Dlle. Jagemann hat sie sehr gut gespielt. Wenn Sie, liebe Freundin, dereinst dieses Stück lesen, sollen Sie beurtheilen, ob dieses »natürliche Töchterchen« wohl in der Reihe ihrer übrigen weiblichen Geschwister stehen darf. So viel kann ich nur sagen, daß sie sehr jung [212] supponirt ist, und daß ich versucht habe, das weibliche, in die Welt aufblickende Wesen, von kindlicher, ja kindischer Naivetät an bis zum Heroismus durch hunderterley Motive hin und wieder zu führen. Im Ganzen nimmt sich's gut aus, im Einzelnen kann ihm hie und da nachgeholfen werden, da sich's denn wohl auf unserm Theater erhalten möchte. Ob es auf andern Theatern durchgehen wird, mag sich zeigen.

Die Proben und überhaupt das Arrangement dieses Stückes haben mir seit vierzehn Tagen so viel zu schaffen gemacht, daß ich diesen schon längst angefangenen Brief nicht fortbringen konnte, und auch heute würde er wieder liegen bleiben, wenn ich mich nicht kurz und gut entschlöße, hier abzubrechen, Ihnen nochmals für alles Gute und Freundliche zu danken, und mich schönstens zu empfehlen.

Nochmals ein Lebewohl.

Weimar, am 4. April 1803.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Marianne von Eybenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F19-6