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An Johann Martin Lappenberg

[Weimar 14. Januar 1829.]

Ew. Wohlgeboren

konnten freylich nicht denken, daß Ihre würdige, auf die Ursprünge der Hamburger sich beziehende Arbeit mich mitten in der Betrachtung früherer Zeiten dieser großen und seit so vielen Jahren höchst bedeutenden Stadt antreffen würde.

Diese räthselhaften Worte eiligst aufzuklären habe zu vermelden, daß die Naturforscher seit einiger Zeit auf die Verdienste des Joachim Jungius, welcher, nachdem er das Amt eines Rectors und Professors in Hamburg gegen dreyßig Jahre geführt, 1657 mit Tode abgegangen, besonders aufmerksam geworden.

Ich war so glücklich, die sämmtlichen seltenen Schriften dieses trefflichen Mannes in unseren Bibliotheken anzutreffen, eben als vorigen Sommer ein ländlicher Aufenthalt mir die Muße gab, mich auf dergleichen Studien zu concentriren, und zwar in dem Grade, daß es mir gelang, über dessen Leben, Thätigkeit und daher entsprungene Schriften einen Aufsatz wenigstens zu entwerfen, welchen, näher durchgedacht, mit verwandten Heften ich gelegentlich heraus zugeben gedenke.

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, eine für die Naturwissenschaften höchst wichtige Epoche, mußte ich mir bey dieser Gelegenheit vergegenwärtigen, um[125] zu gewahren, wie sich ein tüchtiger Mann als Zeitgenosse Bacos von Verulam, Descartes', Galilei's und anderer Heroen jener Tage benommen und sich doch wieder auf seinem Lebens-, Studien- und Lehrgange unabhängig und originell gehalten habe.

Zu gleicher Zeit mußte bemerklich werden, auf welchen Grad die Schulanstalten sich schon damals in Hamburg gesteigert hatten, da neben einem dergleichen Manne von solchen Kenntnissen und Lehrmethoden eine Anzahl tüchtiger Collegen und bestrebsamer Schüler nothwendig zu denken sind.

Ein gleich würdiger Zustand ergibt sich denn auch noch seinem Tode, wo die Gewissenhaftigkeit Bewunderung verdient, mit der man seine hinterlassenen Schriften (denn die meisten sind nach seinem Ableben edirt) behandelt und herausgegeben hat. Nicht weniger gibt die Administration seiner auf diesen Zweck gerichteten Stiftung sowohl den soliden Vorstehern, als den wohlwollenden Arbeitern das beste Zeugniß.

Mag nun also der unruhige Weltlauf jener Tage auch Hamburg von Zeit zu Zeit widerwärtig berührt haben, so erblickt man doch schon hier ein sicheres städtisches Fundament, welches, wohlgegründet, von dem Zufälligen, wenn auch getroffen, doch nicht erschüttert wird; wie sich's denn auch durch alle Zeiten und neuerlich bey den ungeheuersten Schicksalen bewiesen hat. Ermäßigen Ew. Wohlgeboren nach dem Gesagten, wie angenehm mir Ihre Sendung ist, und[126] mit welcher Theilnahme ich die Gelegenheit ergriff, meine Kenntniß daraus zu erweitern.

Hieran fügte sich nun zuletzt die erfreuliche Jubelmedaille in Erz, die sehr wohlgedacht und gerathen ist, wozu man allerdings Glück zu wünschen hat. Erlauben Sie, daß ich nächstens von meiner Seite etwas mich besonders Betreffendes dagegen zum geneigtem Antheil übersende.

Ew. Wohlgeboren ergebenster Diener J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Johann Martin Lappenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E67-D