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An Carl Friedrich Zelter

Ich verglich dich neulich, in guter Gesellschaft, einer wohleingerichteten Mühle, die zu dem Umschwung ihres Rädewerks Wasser braucht und, damit ihre Steine sich nicht selbst aufreiben, Waizen die Fülle nöthig hat. Ob du nun gleich, als ein Organisches Wesen, dieß alles selbst besitzest und hegst, so forderst du doch von außen Zufluß in deinen Mühlgraben und zahlreiche Mahlgäste. Dafür mag denn das Theater und das ergo bibamus gelten. Den besten Waizen wünschen wir dir auch, an gelehrigen Schülern, die du freylich nicht zermalmen, aber desto erwünschter schroten und zurichten mögest. Nimm vorlieb mit diesem Gleichniß, welches ich, nach Galls Ausspruch, in meinen Äußerungen nicht vermeiden konnte.

Ich habe diese Tage wieder in Sterns Tristram hineingesehen, der, gerade als ich ein unseliges Studentchen war, in Deutschland großes Aufsehen machte. Mit den Jahren nahm und nimmt meine Bewunderung zu; denn wer hat Anno 1759 Pedanterey und Philisterey so trefflich eingesehen und mit solcher Heiterkeit geschildert. Ich kenne noch immer seines Gleichen nicht in dem weiten Bücherkreise.

Verzeihe! es ist Sonntag Morgens und von außen beunruhigt mich nichts; denn fast sind wir schon der neusten in der Volks- und Pöbelmasse aufgeregten[274] Wildheiten gewohnt, auch Durchmärsche nehmen wir als bekannt an. Wundersam kommt mir freylich vor daß sich nach vierzig Jahren der alte tumultuarische Taumel wieder erneuert.

Seitdem Herr v. Henning bey mir gewesen, hab ich manches nach Berlin zu den Jahrbüchern gesendet; sie haben es freundlich aufgenommen, und so empfehl ich dir's, damit du erfahrest womit ich mich abgebe. Ich bin wieder in die Naturbetrachtungen gerathen, welches für mich, der ich ein nachdenklicher Mensch bin, doch immer das Beste bleibt, je tiefer man in ihr Gebiet dringt, desto wahrer wird sie. Sie wehrt sich zwar gewaltig gegen den unfähigen täppischen Menschen, der Beharrlichkeit gibt sie nach, um ihr Geschlecht zu rechtfertigen.

Die Campanella haben sie in's Chaos aufgenommen, schicktest du die Composition dazu so sähe man doch einmal ein Notenblatt. Der Abschluß des Jahrgangs d.h. 52 Blätter ist vor der Thüre, ich animire sie fortzufahren, es beschäftigt die kleine Gesellschaft und wirkt nach vielen Orten hin. Das Titelblatt wird, wie man Windrosen zeichnet, eine Ortrose als Vignette bringen, wo auf den Strahlen die Orte bezeichnet sind wo sich die Mitarbeiter aufhalten.

Die Frankfurter Gönner und Freunde haben mir zum Geburtstag einen bedeutenden silbernen Becher und viele Flaschen guten Weins gesendet, mit Verslein [275] in Bezug auf die Generalbeichte; so klingt das hin und wieder und endlich wohl auch ergötzlich einmal an die Felsenquellen zurück.

Grüße mir deine guten jungen Leute und hilf ihnen auf, so gut es gehen will.

Vorstehendes liegt schon viele Wochen. Das Pariser Erdbeben hat seine Erschütterung durch Europa lebhaft verzweigt; ihr habt davon ja auch einen Fieberanstoß empfunden. Alle Klugheit der Bestehenden liegt darin, daß sie die einzelnen Parorysmen unschädlich machen, und das beschäftigt uns denn auch an allen Orten und Enden. Kommen wir darüber hinaus, so ist's wieder auf eine Weile ruhig. Mehr sag ich nicht.

Außerhalb Troja's versieht man's und innerhalb Troja's dergleichen.

Reineke Fuchs. d. 5. Octb. 1830.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C8B-D