19/5099.

An Carl Friedrich Zelter

Seit der Zeit, daß in Ihnen nicht geschrieben habe, sind mir wenig gute Tage geworden. Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseyns. Eigentlich sollte ich eine neue Lebensweise anfangen; aber dazu ist in meinem Jahren auch kein Weg mehr. Ich sehe also jetzt nur jeden Tag unmittelbar vor mich hin, und thue das Nächste, ohne an eine weitere Folge zu denken.

Da indessen die Menschen aus jedem Verlust und Unglück sich wieder einen Spaß herauszubilden suchen, so geht man mich von Seiten unsres Theaters und von mehrern Seiten dringend an, das Andenken des Abgeschiedenen auf der Bühne zu feyern. Ich mag hierüber weiter nichts sagen, als daß ich dazu nicht abgeneigt bin und jetzt nur bey Ihnen anfragen möchte, ob Sie mir dabey behülflich seyn wollen, und zwar zuerst, ob Sie mir Ihre Motette der Mensch lebt und bestehet, wovon wir die musi- [8] kalische Zeitung Nr. 27 Nachricht giebt, gefällig mittheilen und noch einiges andre in feyerlichem Style entweder componiren oder componirte Musikstücke, deren Charakter ich Ihnen angeben würde, zu Unterlegung schicklicher Worte aussuchen und überlassen wollten. Sobald ich hierüber Ihre nähere Gesinnung weiß, so erfahren Sie das weitere.

Die schöne Folge Ihrer kleinen Aufsätze über Orchester Einrichtungen habe ich bisher bey mir liegen lassen und zwar, weil sie eine Art von Satyre auf unsre eigenem Zustände enthielten. Jetzt wünscht sie Reichardt für die musikalische Zeitung; ich suche sie wieder auf, sehe sie an und kann sie unmöglich dem Intelligenzblatt unsrer Literaturzeitung entziehen, wo sie nächstens unter dem Strich gar trefflich ausnehmen sollen. Es haben sich einige Umstände bey uns geändert und am ende darf man ja wohl auch dasjenige tadeln, was man geschehn läßt.

Geheimderath Wolf von Halle ist gegenwärtig hier. Könnte ich doch auch hoffen, Sie dieses Jahr zu sehen. Wäre es nicht möglich, daß Sie Ende Juli nach Lauchstädt kämen, um daselbst jene oben gedachte Arbeit einzuleiten und ausführen zu helfen? Bedenken Sie das und sprechen mir nur von der Möglichkeit, die Mittel wollen wir alsdann schon bedenken.

Wie sieht es mit Ihrem Spaniolvorrath aus? Ich bin indessen glücklich genug gewesen, wieder eine [9] Partie von dem ächten zu erhalten. Wie soll ich Ihnen denselben zuschicken?

Leben Sie recht wohl und lassen mir bald von Sich hören.

Weimar den 1. Juni 1805.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8AA9-E