10/3065.
An Johann Gottlieb Fichte
Für die übersendeten ersten Bogen der Wissenschaftslehre danke ich zum besten; ich sehe darin schon die Hoffnung erfüllt, welche mich die Einleitung fassen ließ.
[166] Das Übersendete enthält nichts, das ich nicht verstände oder wenigstens zu verstehen glaubte, nichts, das sich nicht an meine gewohnte Denkweise willig anschlösse.
Nach meiner Überzeugung werden Sie durch die wissenschaftliche Begründung dessen, worüber die Natur mit sich selbst in der Stille schon lange einig zu sein scheint, dem menschlichen Geschlechte eine unschätzbare Wohlthat erweisen und werden sich um jeden Denkenden und Fühlenden verdient machen. Was mich betrifft, werde ich Ihnen den größten Dank schuldig sein, wenn Sie mich endlich mit den Philosophen versöhnen, die ich nie entbehren und mit denen ich mich niemals vereinigen konnte.
Ich erwarte mit Verlangen die weitere Fortsetzung Ihrer Arbeit, um manches bei mir zu berichtigen und zu befestigen, und hoffe, wenn Sie erst freier von dringender Arbeit sind, mit Ihnen über verschiedene Gegenstände zu sprechen, deren Bearbeitung ich aufschiebe, bis ich deutlich einsehe, wie sich dasjenige, was ich zu leisten mir noch zutraue, an dasjenige anschließt, was wir von Ihnen zu hoffen haben.
Da ich mit Freudentheil an der Zeitschrift nehme, die Sie in Gesellschaft würdiger Freunde herauszugeben gedenken, so wird auch dadurch eine wechselseitige Erklärung und Verbindung beschleunigt werden, von der ich mir sehr viel verspreche. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 24. Juni 1794.
Goethe. [167]