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An Franz Kirms

Ew. Wohlgeboren

erhalten hiebey das Reglement für die Regisseurs und übrige Theater-Dienerschaft. Ich bin dabey so zu Werke gegangen, daß ich

1) Alles in einen Aufsatz gebracht und mit fortlaufenden Nummern bezeichnet habe, weil es nothwendig ist daß jeder eines andern Pflichten und Befugnisse kennt.

2) Hab' ich mich so kurz wie möglich gefaßt. Alles was noch hinzuzufügen wäre kann als Note nachgebracht werden und mit der Nummer des § bezeichnet.

3) Wünsch' ich daß Ew. Wohlgeb. das Ganze nochmals überdenken und was Sie in die Noten gebracht wünschen notiren.

[9] 4) Meo voto communicirte man baldmöglichst das Ganze denen Herrn Oels und Stromeyer zur Erklärung: ob sie auf diese Bedingungen und Anordnungen die beyden resp. Regien anzutreten und Ein Jahr sorgsam zu verwalten geneigt sind, da denn beyden Theilen künftige Weihnachten eine Aufkündigung frey bleibt.

5) Die ersten Aufsätze aus welchen der meinige genommen liegen bey und das Ausgelassene kann gleichfalls in Noten nachgebracht werden. Die besondern Bemerkungen die hieher nicht gehören habe zurück gehalten.

6) Unter Repetitor verstehe ich Herrn Häser.

Alles zu gefälliger Theilnahme empfehlend.

Weimar d. 11. März 1817.


[Beilage.]

Schauspiel.

1.

Bey Großherzogl. Theater-Intendanz werden öfters Manuscripte eingereicht, mit dem Wunsch: solche auf der Weimarischen Bühne aufgeführt zu sehen – Findet man dieselben einigermaßen annehmlich, so erhält sie der Regisseur zu sorgfältiger Prüfung; auch erkundigt sich derselbe außerdem fleißig was etwa sonst handschriftlich oder im Druck Brauchbares erscheinen möge, giebt Kenntniß davon, und reicht die Stücke, wenn sie ihm zu Handen kommen, baldigst ein.


[10] 2.

Wird ein Stück approbirt, so erhält solches der Regisseur um es dem Rollenschreiber zu übergeben. Die ausgeschriebenen Rollen legt er vor, und die Austheilung derselben geschieht mit seinem Beyrath. Die Intendanz unterschreibt diese Vertheilung und der Vorsitzende schreibt die Namen der Schauspieler auf die Rollen, welche der Regisseur, durch den Theaterdiener, welcher es sorgfältig verwahrt und an die Theater-Bibliothek abliefert.


3.

In den nun wöchentlich einmal (zeither Donnerstags) gehaltenen und künftig zu haltenden Beredungen werden die Beschäftigungen der nächsten Woche in Ansehung der zu gebenden Stücke und Opern, ingleichen der dazu erforderlichen Proben regulirt, und auf die übrige Zeit die Lese- und anderen Proben in Gegenwart der Regien und des Capellmeisters bestimmt, von der Intendanz approbirt oder abgeändert und dann in duplo ausgefertigt.

Das eine Exemplar bekommt der Capellmeister, welcher es dem Repetitor und Correpetitor mittheilt, und der Capelle die Proben von Tag zu Tag ansagen läßt.

[11] Das andere Exemplar kommt aber an den Regisseur des Schauspiels, welcher es durch den Theaterdiener bey den Mitgliedern circuliren, dann Abschriften davon machen und solche in den Garderobestuben anschlagen läßt, damit sich keiner mit der Unwissenheit entschuldigen möge.


4.

Wenn denn in gedachten Sessionen die Beschäftigungen regulirt worden, so hat der Regisseur sich mit dem zu gebenden neue Stück genau bekannt zu machen, und, ist es eine Oper, mit dem Regisseur des Singsaches alles wohl zu verabreden, sodann aber der Intendanz vorzuschlagen, was nach seiner genauen Kenntniß der Garderobe für bereits vorhandene Garderobestücke zu dieser oder jener Rolle mit Nutzen, ohne vergeblichen Aufwand zu machen, gebraucht werden können, dann die durchaus neu anzuschaffenden aber vorzuschlagen, daß mit wenigen Mitteln ein erwünschter Effect hervorgebracht werden möge; deshalb denn auch Anschläge vorzulegen sind.


5.

Ein gleiches gilt von den Decorationen, Einsetzstücken und sonstigen Erfordernissen sowohl bey neuen Stücken als bey älteren welche mit dem Decorateur umständlich zu besprechen sind, welchem denn auch das Resultat schriftlich zugefertigt wird. Damit die Theatermeister nach dieser Anordnung alles [12] zu rechter Zeit aufstellen mögen, und das bey Vor- und Hauptproben schon, besonders aber bey Vorstellungen es an nichts fehlen möge, wie denn überhaupt noch eine besondere Instruction für den Decorateur dieser Anordnung beygefügt ist.


6.

Von der Regie bekommt nun der Requisiteur den Requisiten-Zettel, welcher bey der Hauptprobe schon vorhanden seyn und von der Regie durchgesehen werden müssen.


7.

Der Garderobier erhält das Verzeichniß der zu jedem neuen Stück erforderlichen Garderobestücke, so wie die Anzahl der nöthigen Statisten, mit Bestimmung der Stunde, wenn solche zur Probe zu bestellen sind, von der Regie, welche demnächst dafür zu sorgen hat, daß diese Verzeichnisse in die Bücher der resp. Theatermeister und Garderobiers zu fernerm Gebrauch von dem Souffleur eingetragen werden. Die richtig zu fertigende Scenaria, die Besorgung der Zettel in die Druckerey und dergl. nicht zu gedenken.


8.

Bey neuen und Hauptstücken wird die Intendanz selbst Leseprobe halten und sich überzeugen, daß der Sinn der Rollen vollkommen gefaßt worden. Das Gleiche gilt von Theaterproben, da denn das Kommen [13] und Gehen, Stellen, Bewegen, Gruppiren, theils wie routinirte Schauspieler das Rechte leisten genehmigt, theils in besonderen Fällen angegeben und festgesetzt wird. Bey älteren Stücken bleibt es bey dem Herkömmlichen, überhaupt aber wäre der Tanzmeister nicht nur bey Tänzen, Aufzügen und Gefechten zu Rathe zu ziehen, sondern auch bey Gruppirungen, ja selbst Stellung, Gehen und Kommen würde mit seinem Beyrath geschehen, weil die Intendanz nicht jedem einzelnen Schauspieler ihre Wünsche bey öffentlicher Erscheinung mittheilen kann, wohl aber in allem was man Tragen des Körpers nennt andere zu unterrichten.


9.

Da der Regisseur des Schauspiels bey den zu gebenden Opern nur insoweit interessirt ist, als dieselben den Dialog betreffen, so ist derselbe von allen Chor-, Clavier- und Quartettproben gänzlich befreyt, daher außer der Leseprobe, die er zu halten hat, erscheint derselbe erstlich bey der ersten Theaterprobe mit Dialog, und seine Functionen bey Aufführung der Opern sind die nämlichen wie bey'm Schauspiel und stehen mit diesen in der genausten Verbindung.


10.

Übrigens hat der Regisseur im Ganzen auf die Geschäfte der Garderobiers, der Theatermeister, des[14] Theaterdieners, auf die Erleuchtung und alles zu sehen, was zur guten Ökonomie und Ordnung abzweckt, worinnen derselbe jederzeit von der Intendanz geschützt werden soll.


Oper.


11.

Die Bestimmung, welche Oper gegeben werden soll, es sey nun eine neu einzustudirende oder eine aus früherer Zeit wieder aufzunehmende, kann auf verschiedene Weise veranlasst werden. Ein Höchster Befehl, der Wunsch des Publikums, die Überzeugung der Intendanz, eine Veranlassung von Seiten des Capellmeisters, ja der Sänger selbst, eins wie das andere wird berücksichtigt.


12.

Ist eine neue Oper bestimmt, so erhält der Capellmeister die Partitur, geht sie durch, corrigirt sie und läßt sie den Angestellten Notenschreiber in Stimmen aufschreiben; reicht sodann eine nach Kenntniß der Talente unserer Sänger eingerichtete Austheilung an die Intendanz ein, worüber in der Session gesprochen wird. Ist die Austheilung gebilligt, so schreibt der Vorsitzende die Namen der Sänger auf die Sprechrollen.


13.

Der Capellmeister beredet sich nunmehr vor allen Dingen mit denen Personen welche das Einlernen der[15] Parthien besorgen und kommt mit ihnen bey Zeiten überrein wie die Tempi's genommen werden sollen.


14.

Nun geht die Funktion des Repetitors und Correpetitors an, es sey nun von einzelnen Parthien oder vom Chor die Rede, und zwar geschieht das Einlernen in dem Theaterzimmer, wo die Lehrenden allein Unterricht zu geben verpflichtet sind. Italienische Opern besonders gehören in das Fach des Repetitors, so wie dieser zugleich auch Chor-Director ist, im übrigen bleibt die Function des Correpetitors unter des Repetitors Leitung wie bisher.


15.

Sind Sänger und Choristen gehörig vorbereitet, so tritt der Capellmeister ein. Es werden Quartettproben gehalten, wozu zwey von jeder Instrumentalstimme zugezogen werden. Hier werden die Tempi's näher regulirt, die in den Orchester-Stimmen eingeschlichenen Schreibfehler berichtigt. Man schreitet zu den Vorproben, sodann zu den Hauptproben, zuletzt zur Vorstellung.


16.

In allen diesen Geschäften wird der Capellmeister bey eintretenden Krankheitsfällen oder andern Behinderungen von dem Repetitor und Correpetitor sublevirt und haben die Sänger einen jeden dieser Männer gehörige Folge zu leisten.


[16] 17.

Daß dieses geschehe und daß überhaupt alle Hindernisse die dem Geschäft von Anfang bis zu Ende entgegen stehen könnten schleunigst gehoben werden, dafür hat der Regisseur der Oper durchaus zu sorgen, alles dergleichen zu beseitigen und, wenn er dieses nicht selbst in Güte vermöchte, bey der Intendanz ungesäumt davon Anzeige zu thun. Es ist daher seine Gegenwart durchaus nöthig, welches ihm um so weniger schwer fallen kann, da der Gegenwärtige selbst Sänger und also auf doppelte Weise beschäftigt und interessirt ist.


18.

So hat er denn auch, sobald eine Oper bestimmt und ausgetheilt ist, mit dem Regisseur des Schauspiels sich zu besprechen und zu vereinigen, was an äußerlichen Erfordernissen, es sey Garderobe, Requisiten, Decoration, Einsetzstücken oder sonst nöthig seyn möchte. Dieses alles legt der Regisseur des Schauspiels Großherzogl. Theater-Intendanz zur Beurtheilung und Genehmigung vor und besorgt die Ausführung; wie er denn auch die Leseprobe des Dialogs anordnet und derselben beywohnt, auch von der ersten Theaterprobe an am Ganzen Theil nimmt.


19.

Bey allen Opern, worin Aufzüge, Tänze, Gefechte, Stellungen u.d.g. vorkommen, wird der Tanzmeister[17] gleich bey der ersten Theaterprobe hinzugezogen, mit demselben das Nöthige besprochen, ihm jedoch Anordnung und Ausführung überlassen, damit die beiden Regisseurs ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge wenden können und in complicirten Fällen sich nicht ohne Noth abarbeiten dürfen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Franz Kirms. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-898E-1