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An Friedrich Schiller

Ich wünsche Glück zu den fortdauernden guten Aspecten, die über die Wochenstube scheinen, vielleicht mache ich darin selbst noch einen Besuch. Mein hiesiges Wesen ist gegenwärtig so prosaisch wie der Voßische Almanach, und ich sehe auch keine Möglichkeit in meinen hiesigen Verhältnissen eine Arbeit zu fördern, die doch eigentlich eine zarte Stimmung erfordert. Gerade das was jetzt am Mahomet zu thun ist, darf am wenigsten mit dem bloßen Verstand abgethan werden.

Seitdem mir Humboldts Brief und die Bearbeitung Mahomets ein neues Licht über die französische Bühne aufgestellt haben, seitdem mag ich lieber ihre Stücke lesen und habe mich jetzt an den Crebillon begeben. Dieser ist auf eine sonderbare Weise merkwürdig. Er behandelt die Leidenschaften wie Chartenbilder [203] die man durch einander mischen, ausspielen, wieder mischen und wieder ausspielen kann, ohne daß sie sich im geringsten verändern. Es ist keine Spur von der zarten chemischen Verwandtschaft, wodurch sie sich anziehen und abstoßen vereinigen, neutralisiren sich wieder scheiden und herstellen. Freylich gewinnt er auf seinem Weg Situationen, die auf jedem andern unmöglich wären. Uns würde überhaupt diese Manier unerträglich seyn; allein ich habe gedacht ob man sie nicht zu subalternen Compositionen, Opern, Ritter-und Zauberstücken mit Glück brauchen könnte und sollte. Was ich darüber gedacht wird uns zu einem Gespräch und zur Überlegung geben.

Es soll mich sehr freuen wenn Sie den Plan zu den Malthesern mitbringen. Wenn ich es möglich machen kann, besonders aber wenn ich keinen Weg sehe den Mahomet hier fertig zu machen, so komme ich den ersten November hinüber, bis dahin wird alles hier was sich auf mich bezieht wieder ziemlich für eine Zeit eingeleitet seyn.

Von Frankfurt erhalte ich die Nachricht daß Schlosser gestorben ist. Die Franzosen und sein Garten sind die nächsten Ursachen seines Todes. Er befand sich in demselben als jene sich Frankfurt näherten, er verspätete sich und fand das nächste Thor schon verschlossen, er mußte bis zu dem folgenden eilen das weit entfernt ist kam in eine sehr [204] warme Stube, wurde von da aufs Rathaus gerufen, worauf er in ein Fieber verfiel das tödlich wurde und ihn in kurzer Zeit hinraffte. Unsere botanische Correspondenz hat sich also leider zu früh geschlossen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns die Tage gebrauchen die uns noch gegeben sind.

Weimar am 23. Oct. 1799.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8955-0