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An den Herzog Carl August
Für Ihren liebenwerthen Brief, mit dem Sie mich ab erfreut haben, dancke ich auf das herzlichste, Sie krönen dadurch das Glück das ich hier genieße und beruhigen [239] mich auf alle Weise. Sie geben mir Raum daß ich erst recht mein werden kann und sondern mich von Ihrem Schicksale nicht ab, möge sich Ihnen alles zum Besten wenden. Ich erwartete Ihr Schreiben um über meinen ferneren Aufenthalt etwas festes zu beschließen, nun glaube ich nicht zu fehlen, wenn ich Sie ersuche: mich noch biß Ostern in Italien zu laßen. Mein Gemüth ist fähig in der Kunstkenntniß weit zugehen, auch werde ich von allen Seiten aufgemuntert, mein eignes kleines Zeichentalentchen auszubilden und so möchten diese Monate eben hinreichen meine Einsicht und Fertigkeit vollkommner zu machen. Jetzt werden Architecktur und Perspecktiv, Komposition und Farbengebung der Landschaft getrieben, Sept. und Oktbr. möchte ich im Freyen dem Zeichnen nach der Natur wiedmen, Nov. und Dec. der Ausführung zu Hause, dem Fertigmachen und Vollenden. Die ersten Monate des künftigen Jahres, der menschlichen Figur, dem Gesichte pp. Ich wünsche und hoffe es nur wenigstens so weit zu bringen, wie ein Musickliebhaber, der wenn er sich vor sein Notenblat setzt, doch Töne hervorbringt die ihm und andern Vergnügen machen, so möchte ich fähig werden eine Harmonie aufs Blat zu bringen um andre mit mir zu unterhalten und zu erfreuen. Ich weiß zu sehr, wie ängstlich es ist, wenn man eine gewiße Fähigkeit in sich spürt und einem das Handwerck gänzlich mangelt, sie auszulaßen und auszuüben.
[240] Biß Ostern werde ich es so weit gebracht haben, um alsdann für mich weiter gehen zu können. Denn gewisse Dinge sind es die man von andern lernen und annehmen muß. Dieses macht den Aufenthalt in Rom so angenehm, weil so viele Menschen sich hier aufhalten, die sich mit Dencken über Kunst, mit Ausübung derselben Zeitlebens beschäftigen und wohl kein Punckt seyn kann, über den man nicht von einem oder dem andern Belehrung erwarten könnte. Noch eine andre Epoche dencke ich mit Ostern zu schließen: meine erste (oder eigentlich meine zweyte) Schriftsteller-Epoche. Egmont ist fertig, und ich hoffe biß Neujahr den Tasso, biß Ostern Faust ausgearbeitet zu haben, welches mir nur in dieser Abgeschiedenheit möglich wird. Zugleich hoffe ich sollen die kleinen Sachen, welche den fünften, sechsten und siebenten Band füllen fertig werden und mir bey meiner Rückkehr ins Vaterland nichts übrig bleiben, als den achten zu sammeln und zu ordnen. Somit werde ich auch dieser Verbindlichkeit los und kann an etwas neues, kann mit Ernst an Wilhelm gehn, den ich Ihnen recht zu erb und eigen schreiben möchte.
Daß ich meine älteren Sachen fertig arbeite, dient mir erstaunend. Es ist eine Rekapitulation meines Lebens und meiner Kunst, und indem ich gezwungen bin, mich und meine jetzige Denckart, meine neuere Manier, nach meiner ersten zurückzubilden, das was ich nur entworfen hatte nun auszuführen; so lern' [241] ich mich selbst und meine Engen und Weiten recht kennen. Hätte ich die alten Sachen stehen und liegen laßen, ich würde niemals soweit gekommen seyn, als ich jetzt zu reichen hoffe. Ostern ruckte ich mit Zucht und Ordnung wieder in's Vaterland und käme zur schönen Jahrszeit zurück. Edelsheim in einem gar guten Brief aus Carlsbad giebt mir zwey Jahre, die hätte ich alsdann ohngefähr vollendet.
Ist mir erlaubt, einen Wunsch, den ich für jene Zeit habe noch zum Schluß beyzufügen; so wäre es: Ihre Besitzthümer sogleich nach meiner Widerkunft, sämmtlich als Fremder bereisen, mit ganz frischen Augen und mit der Gewohnheit Land und Welt zu sehen, Ihre Provinzen beurtheilen zu dürfen. Ich würde mir nach meiner Art ein neues Bild machen und einen vollständigen Begriff erlangen und mich zu jeder Art von Dienst gleichsam aufs neue qualificiren, zu der mich Ihre Güte Ihr Zutrauen bestimmen will. Sekundirt der Himmel meine Wünsche; so will ich mich alsdann der Landes Administration einige Zeit ausschließlich wiedmen, wie jetzt den Künsten, ich habe lange getappt und versucht, es ist Zeit zu ergreifen und zu würcken. Möge indeß alles was Sie bey Sich einrichten, Ihren Absichten völlig entsprechen und auch mir wenn ich wiederkomme Freude breiten! Mögen Ihre großen auswärtigen Verhältniße Ihre Existenz ganz ausfüllen, und Sie für Mühe, Aufopferung und Gefahren die schönsten Früchte einerndten.
[242] Noch manches bleibt mir über einzelne Dinge zu sagen übrig, das ich auf einen nächsten Brief verspare. Geben Sie mir halbe wieder ein Zeichen Ihres Andenckens und Ihrer Liebe. Ihrer Frau Gemahlinn empfehle ich mich auf das Beste.
Rom d. 11. Aug. 87.