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An den Grafen Sergej Semenowitschvon Uwarow

[Concept.]

[27. Februar.]

Mit Bewunderung und Freude habe ich mir das übersendete bedeutende Memoire gelesen, mit Bewunderung für des Verfassers Einsicht und Übersicht, mit Freude über die Thätigkeit und den guten Muth, womit er seine Kenntnisse im Großen nützlich zu machen denkt. Fürwahr wir leben jetzt in der Zeit der Resultate und Résümés; es ist so viel geschehen, es liegt so viel vor uns, das wir nun sammeln, ergänzen, vervollständigen, weiterführen und gebrauchen können. Glücklich sind daher die zu preisen, welche in einem frischen Alter der Talente, die Luft und die Gelegenheit zu solchen Arbeiten besitzen und finden. Ich wünsche nichts mehr, als daß Ew. Hochwohlgebornen bald an die Spitze eines asiatischen Instituts gesetzt neues Licht über die beyden Welttheile verbreiten, welchen das Reich Ihres großen Monarchen angehört. Ein solches Unternehmen auf eine wahrhaft kaiserliche Weise gefördert zu haben, wird den Glanz vermehren, womit er seinen Thron zu umgeben weiß. Aus den beygefügten Tafeln mußte ich natürlicher Weise ersehen daß Ihre Absichten auf Gegenstände gerichtet sind, denen ich schon längst vergebens meine Wünsche zuwende: denn ob ich gleich z. E. in das Gebiet der indischen Literatur nur Streifzüge machen konnte; so [43] ward doch eine frühere Liebe zu den Vedas durch die Beyträge eines Sonnerats, durch die Übersetzungen der Sacontala und Gita-Govinda immer aufs neue genährt, und einige Legenden reizten mich, sie zu bearbeiten; wie ich denn schon früher eine poetische Behandlung des Vedas in Gedanken hegte, die, ob sie gleich von Seiten der Critik wenig werth gehabt hätte, wenigstens dazu hätte dienen können, die Anschauung dieser bedeutenden und anmuthigen Überlieferungen bey mehreren zu belegen. Da nun aber der neuen orientalischen Societät gegönnt seyn wird, integros adire fontes, und die hundertfältigen Wege zu verfolgen, welche Ew. H. andeuten; so muß denn freylich eine ganz neue Welt entspringen, wo wir in größerer Fülle wandeln, und das Eigenthümliche unseres Geistes stärken und zu neuer Thätigkeit anfrischen können. Mich wird es z.B. sehr glücklich machen, wenn ich eine vollständige Übersetzung der Gita-Govinda erleben sollte.

So viel für dießmal zu Begleitung meines aufrichtigen Dankes für die Übersendung eines trefflichen Aufsatzes, dem ich den besten Erfolg wünsche, welcher nach dessen innern Werthe, und nach Ew. H. glücklichen äußern Verhältnissen wohl nicht fehlen kann. Ich erbitte mir von Zeit zu Zeit Nachricht von einem fröhlichen Gelingen, und empfehle mich zu fernerem günstigen Andenken.

[44] Der ich die Ehre habe, mit besonderer Hochachtung mich zu unterzeichnen.

Beyliegendes Werk über die Farbenlehre ersuche Ew. H. wenn Sie es schicklich finden, des Herrn Grafen von Rasoumowsky Excellenz zu überreichen. Männer, die wie Er auf einen großen Wirkungskreis Einfluß haben, sind am ersten in dem Falle, dasjenige was an einer solchen Arbeit wahr und nützlich ist, auch für die Menge brauchbar zu machen. Der Inhalt und die Absicht dieses Werks an welchem ich viele Jahre gearbeitet, ist in dem beygefügten Quarthefte am Schluß desselben umständlich und ausführlich dargelegt; deswegen ich darüber nicht weiter hinzufüge. Nur die nächste Veranlassung muß ich aussprechen, wodurch ich bewogen werde Ew. H. diese Arbeit zu senden.

Es haben nämlich des Herrn Fürsten Repnin Erlaucht einen geschickten Optikus und Mechanikus Professor Reissig von Cassel nach Petersburg befördert, der sich früher mit meinen Absichten und den Mitteln sie zu erreichen bekannt gemacht, auch schon für Freude der Naturkunde, nach Anleitung meines Werks, verschiedene Gläser und Instrumente, welche zu den Hauptversuchen nöthig sind, verfertigt hat. Dieser würde, wenn man es interessant genug fände, bey irgend einem Institut einen vollständigen Apparat aufstellen zu lassen, am besten an Hand gehen [45] können, und vielleicht entspränge hieraus, auch für den die Künste und Wissenschaften liebenden und befördernden Fürsten, irgend etwas Angenehmes und Unterhaltendes.

Wir haben vor einigen Tagen das Glück gehabt, das vortreffliche Repninsche Paar, welche Ew. H. so nahe verwandt ist, hier zu verehren, und wünschen daß es seine Reise glücklich fortsetzen und vollenden möge. Gegenwärtiges gelangt zu Ew. H. durch die Gefälligkeit eines russischen Couriers, welcher unserer Erb. Prinzeß Kaiserl. Hohheit Glückwünsche und Gaben von Seiten Ihrer höchsten Angehörigen zum Geburtstag überbrachte. Vielleicht habe ich das Glück durch eine ähnliche Gelegenheit (die Couriere nach Paris gehen meist bey uns durch) auch von Ew. H. das weitere zu vernehmen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An den Grafen Sergej Semenowitschvon Uwarow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8829-D