38/174.

An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Wenn Ew. Königliche Hoheit mein früheres Schreiben bey der Rückkehr in das Ihrige treulich und freudig empfängt, so ist Wunsch und Absicht erfüllt und die Hoffnung nicht getäuscht daß Höchst Dieselben das wenig Vorgetragene gnädigst aufnehmen würden.

Wir freuen uns alle hoffnungsvoll, daß die in einiger Ruhe gebrauchten Bäder Höchst Denenselben recht wohl bekommen und zu einer neuen Aera den glücklichen Eintritt verleihen werden.

[206] Dem ganzen hiesigen geist- und sittenreichen Kreise konnte in dieser letzten Zeit nicht leicht etwas Angenehmeres widerfahren als die Gegenwart des Grafen Sternberg, der sich durchaus behaglich gefunden hätte, wäre nicht bey Ew. Hoheit Abwesenheit das Wünschenswertheste vermißt worden. Auch daß er um so wenige Tage den eingeschlagenen Weg kreuzen mußte hat ihm und uns gleichmäßig wehe gethan.

Seine Reise führt er durch wie es seinen Jahren, seinem Stand, seinen Kenntnissen und Verhältnissen wohlgeziemt. Mir haben die wenigen Tage sehr wohl gethan indem er mir ein unerreichtes Muster einer Welt- und wissenschaftlichen Existenz vor Augen stellte. Seine Unterhaltung so wie sein Thun und Lassen hat mir zu den wichtigsten Betrachtungen Anlaß gegeben; sein zurückgelassenes Bild von Schmeller findet Beyfall.

Was die Witterungslehre betrifft so bin ich gleicher Überzeugung daß sie nicht auszulernen sey, besonders möchte man alle Hoffnung aufgeben, selbst das nächstbevorstehende Wetter voraus zu verkünden, oder auch von dem vergangenen etwas Rationelles zu prädiciren. Indessen gibt es doch mitunter schöne Ansichten, und mir wollen die Anstalten, wie schon früher gesagt, dadurch interessant bleiben, daß sie eine Schule sind zu allen Zwecken genaues Aufmerken und Aufzeichnen erfordert wird; da sie also wenn auch nicht zu einer exacten Wissenschaft, doch zu einem genauen [207] Thun und Handeln hinführen, wobey auch das noch zu bedenken bleibt daß Naturwirkungen durchaus zusammen hängen und also was hier nur zum Theil erreicht wird an einer andern Stelle zu völliger Aufklärung dienen kann.

Das Rousseau-Redoutésche Werk habe die Zeit näher betrachtet und mit bewunderndem Bedauern angesehen wie sich vor 50 Jahren ein so tüchtiger Mann in diesen Feldern abgequält hat.

So eben verläßt mich eine gar lieblich erfreuliche Gesellschaft, die Prinzen von Weimar und Oldenburg und die sämmtliche Jugend von Belvedere, so schön als munter; deren sämmtlicher Hauptwunsch darauf gerichtet ist, Höchst Dieselben bald wieder hier am Orte zu verehren.

Mich zu gleicher Gesinnung bekennend.

Weimar den 1. August 1824.

Bey mancherley Gedanken, die man denn doch nicht immer abweisen kann, rührte mich im tröstlichsten Sinne des Herrn Großherzogs von Hessen Königlichen Hoheit gnädiges Andenken. Es ist wahrhaft stärkend und erquickend, ein so edles Wohlwollen durch den alles verwandelnden Jahres- und Zeitenwechsel unverändert durchgehalten zu sehen. Darf ich hoffen meine dankbarste Anerkennung und Anhänglichkeit gelegentlich höchsten Orts vermeldet zu wissen.

[208]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-87FF-4