22/6191.

An Johann Friedrich Rochlitz

Ew. Wohlgebornen

sich versichert, daß es mir sehr leid gethan hat, Sie bey Ihrer Durchreise nicht begrüßen zu können. Sich bey Ihrer Durchreise nicht begrüßen zu können. Sich einmal wieder anzutreffen und über manches ausreden, giebt auf mehrere Jahre ein wo nicht besseres doch gewiß entschiedeneres und klares Verhältniß. Indessen will ich mich durch die Sicherheit Ihrer Neigung und Ihres Wohlwollens trösten.

Wenn sie wünschen, daß ich dem braven Freyherrn von Truchseß meine Bearbeitung des Götz für [162] das Theater mittheilen möge; so will ich deshalb mein Bedenken eröffnen. Er hat an dem Stücke, wie es zuerst herausgegeben worden, so vielen und warmen Antheil genommen, ja sich gewissermaßen selbst in die Person des alten biedern Helden versetzt, daß es ihm gewiß nicht angenehm seyn würde, nunmehr manches ausgelassen, umgestellt, verändert, ja in einem ganz andern Sinne behandelt zu seyen.

Eigentlich kann diese Umarbeitung nur durch den theatralischen Zweck entschuldigt werden, und kann auch nur insofern gelten, als durch die sinnliche Gegenwart der Bühne und des Schauspiels dasjenige ersetzt wird, was dem Stücke von einer andern Seite entzogen werden mußte. Da ich also überzeugt bin, daß beym Lesen Niemand leicht die neue Arbeit billigen werde, weil nicht zu verlangen ist, daß der Lesende die mangelnde Darstellung sich vollkommen supplire; so habe ich bisher gezaudert diese Bearbeitung drucken zu lassen, ja selbst meine nächsten hiesigen Freunde, die das Manuscript zu sehen verlangt, an die Vorstellung gewiesen, von der sie denn nicht ganz unzufrieden zurückkehrten.

Ich bin überzeugt, daß Ew. Wohlgebornen sowohl als der würdige Truchseß-Götz, es nicht misbilligen, wenn ich diesen meinen Gründen soviel Gewicht gebe, um die gewünschte Mittheilung abzulehnen. Verzeihen Sie daher, und erhalten mir ein freundliches Andenken.

[163] Ein etwas wunderliches biographisches Bändchen erhalten Sie zu Michael. Wilhelm Meisters Wanderjahre durchzuführen haben mich meine eigenen Wanderungen abgehalten. Bey jenem Büchelchen aber bitte ich Sie zu überzeugen, daß Sie unter diejenigen gehören, für die ich es schreibe. Mit entfernten Freunden und Geistesverwandten mich zu unterhalten ist dabey meine einzige Absicht: denn diese sind es ja eigentlich nur, die man zu Zeugen seines vergangenen Lebens und Treibens, und zur Theilnahme am gegen wärtigen aufrufen kann.

Ew. Wohlgeb.

Weimar

wahrhaft zugethaner

den 11. September

Goethe.

1811.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Johann Friedrich Rochlitz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8779-1