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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck
Ew. Hochwohlgeboren
sage den schönsten Dank, daß Sie die bisherige Stockung unseres Briefwechsels unterbrechen wollen. Mir ist es gerade wie Ihnen ergangen: indem ich auf etwas Mitzusendendes hoffte, blieb das Sendbare liegen; hier eine kurze Darstellung meines bisherigen Lebenswandels. Nachdem ich den 28. September in Jena angekommen, beschäftigte mich die Revision des in meiner Abwesenheit immer fortgeschrittenen akademischen Bibliotheksgeschäftes und gelangte endlich den [162] 24. October nach Weimar, woselbst ich ein neues Heft von Kunst und Alterthum, ingleichen Morphologie etc. endlich abschloß. Ich lege den Inhalt bey, der vielleicht in öffentlichen Blättern nicht zu Ihnen gekommen ist, und Sie werden mir zugeben daß einige Anstrengung und Anhaltsamkeit erfordert wird, um sich und seine Mitgehülfen aus solchen Labyrinthen herauszuziehen; besonders da die anatomischen Dinge die ich gegeben kein productives Interesse mehr für mich haben können. Man muß mit guter Lebenskraft ausgestattet seyn, wenn man sich in dieses Feld Hesekiels wagen will. Sobald die Hefte nur in meinen Händen sind, erhalten Sie Exemplare.
An allem was Sie fördert nehm ich aufrichtigen Antheil, zu allem was sich in den Weg stellt wünsche guten Muth; in Ihren und Umständen kann er nicht fehlen.
Sogleich als ich jene Arbeiten bey Seite gebracht, dacht ich Ihnen einen Beytrag zu senden; allein kurz vor Ende des Jahrs zog ich mir, aus gutmüthiger socialer Nachgiebigkeit, eine Verkältung zu, die mich an einem gewaltformen Katarrhfieber vierzehn Tage leiden ließ. Dadurch bin ich in den currenten Geschäften zurückgekommen, die sich gerade in einer solchen Übergangsepoche schließen und häufen. Kaum wird mir der Februar erlauben an etwas Wissenschaftliches zu denken. Vielleicht wenn Sie meine Hefte gesehen haben, erweisen Sie mir eine anregende Theilnahme,[163] wodurch ein- oder andere, was ich nur lakonisch behandelt, zu Ihren Zwecken weitläufiger auszuführen wäre. Besonders möcht ich Ihnen Zeichnungen schicken die sich alle auf den Formenwechsel der Pflanzen beziehen, worüber Sie mir auch in Ihrem Brief soviel Einsichtiges und Erbauliches zusprechen.
Die Trüffeln, die ich hier mitsende, stehen seit langer Zeit schon vor mir. Es ist dabey zu bemerken: daß sie eine Umwandlung erlitten haben; mit ihrem Geruch und Geschmack verloren sie zugleich die gewöhnliche Lederzähigkeit, die Schwärze hat sich in eine Gräue verwandelt, die durch und durch geht, und sie lassen sich zu Pulver reiben. Alles dieses macht sie Ihnen vielleicht interessanter, indeß unsere Köchinnen darüber in Verzweiflung sind.
Mehr sag ich nicht, damit nicht wieder eine Stockung eintrete. Zu vielem Dank füge ich die Bitte, mir von Zeit zu Zeit und wäre es auch nur flüchtige Nachricht zu geben.
Meine Kinder grüßen zum allerschönsten, sie sind dießmal in Geburts- und Feststunden befangen; der Enkel spricht ihren Namen schon mit Anstand und Ehrfurcht aus. Möge er zu einem treuen Mitarbeiter heranwachsen.
gehorsamst
Goethe.