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An den Herzog Carl August
Rom d. 12. [- 16.] Dez. 86.
Mein erster Brief von hier aus, wird Sie in Berlin aufgesucht haben, darum konnte ich noch nicht mit einer Antwort, mit einer Nachricht von Ihnen erfreut werden, nach der ich so sehr verlange. Fast biß zur Ermüdung hab ich bisher fortgefahren Rom zu durchwandern, auch habe ich das meiste gesehen.
Was heißt aber das Sehen von Gegenständen bey denen man lange verweilen, zu denen man oft zurücke kehren müßte um sie kennen und schätzen zu lernen.
An Ihre Frau Gemahlinn schreib ich hierüber einige Worte auf die ich mich beziehe.
[82] Daneben hab ich meine Iphigenie ganz umgeschrieben, ein ehrlicher Schweizer macht mir nun eine Copie und um Weynachten wird sie abgehn können. Ich wünsche daß ich mit dieser Mühe überhaupt und auch für Sie etwas gethan haben möge. Nun soll es über die andern Sachen, endlich auch über Faust hergehn. Da ich mir vornahm meine Fragmente drucken zu lassen, hielt ich mich für todt, wie froh will ich seyn, wenn ich mich durch Vollendung des angefangnen wieder als Lebendig legitimiren kann.
Gegen Weynachten wird auch mein Pensum in Rom für erst absolvirt seyn, mit dem neuen Jahre will ich nach Neapel gehn und dort mich der herrlichen Natur erfreuen und meine Seele von der Idee sovieler trauriger Ruinen reinspülen und die allzustrengen Begriffe der Kunst lindern. Tischbein wird mit mir gehen, er ist mir unentberlich. So einen reinen, guten, und doch so klugen ausgebildeten Menschen hab ich kaum gesehen. Wie leid thut mirs daß er nicht zu den Ihrigen gehört, nicht allein als Künstler sondern auch als verständiger thätiger Mensch; in seinem Umgange beleb ich mich aufs neue, es ist eine Lust sich mit ihm über alle Gegenstände zu unterhalten, Natur und Kunst mit ihm zu betrachten und zu genießen.
Übrigens ist das strenge Incognito das ich hier halte mir vom größten Vortheile, man kennt mich, und ich rede mit jedem den ich ohngefähr hier oder [83] da treffe, leide aber nicht daß man mich nach meinem Stande oder Nahmen begrüße, gehe zu niemanden und nehme keinen Besuch an. Hielte ich nicht so strenge darauf; so hätte ich meine Zeit mit Ehre empfangen und Ehre geben hinbringen müßen. Den einzigen Prinz Lichtenstein, den Bruder der Gräfinn Harrach habe ich besucht, doch auch so daß wir uns zuerst auf einer Gallerie (Doria) begegneten, und dabey werd ich bleiben, denn selbst über mein Erwarten bin ich hier bekannt und meine Nation ist mehr als ich glaubte von mir eingenommen.
Unter den neuen Künstlern sey ich mich auch um, was da lebt und wird, unter den Kunsthändlern gleichfalls. Alles ist sehr theuer was sich einigermaßen auszeichnet. Alle Arten von Kunstwercken sind auf einen hohen Preis getrieben. Für Sie mögt ich nichts aufpacken als Gypssachen, die zu Wasser gehn könnten. Einige Colossalköpfe kann ich selbst nicht entbehren, ich meyne man könnte nicht leben ohne sie manchmal zu sehen.
Der Bildhauer Trippel hat eine kleine Nemesis in Marmor nach einer größern im Museo gearbeitet und man kann sagen, sie ist beßer als das Original, welches deswegen nicht übertrieben ist, da viele mittelmäsige Künstler, ja Handwercker in Alten Zeiten nach guten Originalen kopirten, ja zuletzt Copie von Copie gemacht ward, so kann an einer Statue die Idee schön, Proportion und Ausführung aber schlecht seyn und [84] ein neuerer Künstler kann ihr einen Theil der Vorzüge wiedergeben, die ihre ganz verlohrnen Originale hatten. Diese Nemesis wäre eine schöne Zierde in die Zimmer Ihrer Frau Gemahlinn, er verlangt 100 Dukaten dafür, wenn ich sie aber wie für mich nehme glaub ich sie für 80 zu erhalten.
Was übrigens hier mit dem Kunsthandel getrieben und gewonnen wird, ist unaussprechlich und es sind meist Ausländer die klug genug waren sich diesen wichtigen Zweig zuzueignen. Gute Abdrücke des Mark Antonio sind hier rarer und theurer als irgendwo, da Raphaels Andencken und die Spuren seines Geistes nirgends mehr geschätzt werden können als hier. Die ausgedruckten und aufgekratzten Platten sind aber noch hier und werden solche Abdrücke für ein Geringes für 3 gr. 18 pf. ja noch weniger in Partien verkauft, sie sind entsetzlich verdorben und doch kann man die herrlichen Ideen und Compositionen nicht ohne Entzücken ansehn.
Auch möcht ich Ihnen die kleinen Modelle der Egyptischen unvergleichbaren Löwen vom Capitol und von der Fontana Felice in Bronze mitbringen um Ihren Schreibtisch zu zieren sie werden 20 bis 30 Dukaten kosten. Ich notire mir alle diese Wünschenswerthe Kleinigkeiten und werde wenn ich Auftrag von Ihnen erhalten sollte, eine gewiße Summe auszugeben, das dauerhaffteste wählen. Auch sind zwey Bände des Musei Pio Clementini heraus jeder zu 6 Dukaten, die auch kaum zu entbehren sind.
[85] An Antiken und Original Bilder ist nicht zu dencken, man spricht gleich von 10000 Scudi pp. Leben Sie aufs beste wohl. Versagen Sie mir ein Zeugniß Ihres Andenckens und Ihrer Liebe nicht. Einsam in die Welt hinausgestoßen wäre ich schlimmer dran als ein Anfänger wenn ich das zurückgelaßne nicht auch erhalten könnte.
G.
d. 16. Dec. 86.
Den Brief an Ihre Frau Gemahlinn werd ich mit der nächsten Post absenden, ich konnte ihn heute nicht endigen. So vieles dringt von allen Enden und Ecken auf mich zu, daß ich kaum zu mir selbst komme. Aber es ist eine Lust in einem so großen Elemente zu leben, wo man für viele Jahre Nahrung vor sich sieht, wenn man sie auch nur für den Augenblick mit den äussersten Lippen nur kosten kann.