47/29.
An Caroline von Wolzogen
Beyfolgenden Auszug, aus einem Briefe des Herrn Varnhagen v. Ense, habe nicht ermangeln wollen mitzutheilen, vielleicht daß Sie erlaubten der guten vieljährigen Freundin, durch genannten Mann, irgend etwas Freundliches zukommen zu lassen. Das Büchlein ist mir noch nicht zu Handen gekommen und es wird auch schwerlich meine Gränzwochen überlisten; was aber ungefähr darin enthalten seyn mag ergibt sich aus beyliegendem Blatte, welches deshalb mitsende.
Alles Gute zu dem frischen Grünen anwünschend, empfehle mich zum allerschönsten.
treu angehörig
J. W. v. Goethe.
[Beilage.]
»Frau v. Kalb, welche hier in vieljähriger, stillen und engen Zurückgezogenheit lebt, ist in dieser heftigst bewegt worden durch die Mittheilungen, welche Jean Paul Richters gedruckter Briefwechsel über manche frühere Lebensverhältnisse nicht schonend an den Tag legt. Sie verwirft und verläugnet ganz und gar die Auffassungen Richters in Betreff der ihr eignen Bezüge, so wie der von Schiller, Herder und andern; so betheuert sie, sey dergleichen gesprochen, dergleichen gemeint worden, wie hin und wieder aus trüben Quellen oder argen Mißverständnissen dort angegeben wird. Ihre hohen Jahre und ihr sonst fast sybillenhaftes Dasein haben bey der unerwarteten Berührung jener Vergangenheit [34] eine ganz leidenschaftliche Aufregung nicht abzuwenden vermacht. Ich war vergebens bemüht, ihr gegen diese Schwäche Trost und Gleichmuth einzusprechen; die bisher erschienene Entäußerung der weltlichen Persönlichkeit ist plötzlich mit einer allzu ängstlichen Empfindlichkeit für deren doch höchst verletzlich bewahrtes Abbild vertauscht. Sie wünscht vor allem Ew. Exzellenz und dann Frau v. Wolzogen, von der nach jenen falschen Angaben mißkannt zu werden ihr der unerträglichste Schmerz bliebe, von obiger Betheuerung wenigstens benachrichtigt. Ich erfülle hiemit gern einen Theil ihres Wunsches, und stelle gütigem Ermessen und gelegener Stunde anheim, was von Weimar aus hierüber ferner an Frau v. Wolzogen möchte zu befördern seyn.«