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An Friedrich Jacob Soret

Theuerster Herr und Freund, Sie haben durch Ihre reichhaltigen und heitern Briefe mir so viel Vergnügen gemacht, daß ich, in Hoffnung Gegenwärtiges könne Sie noch in Magdeburg treffen und begrüßen, nicht einen Augenblick anstehe Nachfolgendes dem Papiere anzuvertrauen.

In Erwiderung der mannichfaltigen Nachrichten[117] hab ich freylich von uns sehr wenig zu vermelden. Nur ein Bogen unsrer gemeinsamen Druckschrift ist eingeliefert, sogleich aber, von mir und Riemern, wohlerwogen zurückgesendet worden. Mit dem reinen Abdruck desselben hoffen wir also, wie mit einem guten Wahrzeichen, Sie bey Ihrer Rückkunft zu empfangen; die folgenden werden Sie nun selbst durchzusehen geneigt seyn. Nicht weniger auch das Manuscript des Nachsatzes gerne revidiren, wozu ich nun ein sorgfältiger behandeltes Manuscript zu Handen habe. Übrigens bin ich bey dieser Gelegenheit, auf die anmuthigste Weise, wieder in's Pflanzenleben gezogen worden, vor dem ich mich seit vielen Jahren gewissermaßen zu scheuen pflegte.

Auf einer Fahrt nach Jena besah ich, mit Vergnügen und Beyfall, die neue an der Gärtnerwohnung angelegte Terasse; ich hoffe sie wird unserm lieben Prinzen und den Seinen, bey einem dortigen Aufenthalt, manchen Besuch ablocken.

Sie sehen wie still und friedlich meine Tage dahin geflossen sind.

Merkwürdige Mineralien, zwar nicht viel, aber doch von Bedeutung, sind mir die Zeit her aus Rußland geworden. Sie erwarten aber auf alle Fälle die Beleuchtung des einsichtigen Freundes. Käme sodann das Zugesagte von Freyberg, fügten sich noch gar mexicanische dazu, so würde es uns auch von dieser Seite an Unterhaltung nicht fehlen.

[118] Allerliebste Zeichnungen, für ein leidliches Geld, sind auch zu mir gelangt und erfreuen mich sehr in meinem stationairen Daseyn, indessen mein Sohn, auf eine erfreuliche Weise, der Natur und Kunst, den bürgerlichen Zuständen und Äußerlichkeiten, auf eine lobenswürdige Weise seine Aufmerksamkeit schenkt, wodurch sein Tagebuch höchst interessant wird.

Ottilie schilt auf Sie gewaltig, und heute als sie erfuhr ein Brief von Ihnen sey angekommen, ließ sie sich gleich erkundigen, ob nicht etwas für's Chaos dabey befindlich? Ich weiß nicht ob sie die Liste der reisenden Engländer zu diesem Zweck wird gelten lassen, um solche alsobald in die Druckerey zu geben.

Von einer besonderen Merkwürdigkeit hab ich zu berichten! Es ist mir ein wohl erhaltener Schädel zugekommen. Einem vor etwa zwey hundert Jahren bedeutenden Mann soll er angehört haben. Darauf will ich kein Gewicht legen, aber es ist ein sehr schöner Schädel, nach Galls Lehre und sonstigen, mir geprüften physiologischen Grundsätzen gar ausdrücklich und zusagend. Auch dieser würde angenehme Vergleichung und Unterhaltung veranlassen.

Sie werden lächelnd, gar wohl bemerken was für ein Gewicht ich zu legen suche auf das, wo nicht von mir Geleistete doch Erfahrene, wo nicht verdiente doch Erworbene, wobey ich aus meinem kleinen Zauberkreise herauszutreten nicht nöthig hatte, da Sie hingegen mit mancherlei Beschwerlichkeit, Mühe und Sorgen, [119] eine Masse von soviel einzelnen Erworbenheiten für unsern lieben Prinzen und sich selbst erringen mußten. Empfehlen Sie mich dem theuren Zögling und sagen Ihm: Sein Fest sey gar auf mannichfaltige Weise gefeyert worden. In der Lage fand es sich recht freundlich daß gerade mein funfzigstes Maurisches Jubiläum fiel; so wie hiernächst der Thätigkeit des ersten Jahrs der Gewerkschule, welches auf dieses erwünschte Geburtsfest eröffnet wurde, auf eine recht ermunternde Weise zu gedenken war. Um sowohl diesem als andern stillen Privatfesten gehörigen Raum zu geben, ist, glaub ich, das kirchliche Fest auf den Sonntag verlegt worden, welches denn auch recht schicklich und andächtig, wenn gleich nicht allgemein gemüthlich gefeyert wurde.

Wenn Sie nun in allem diesem gleichsam die Spiegelung Ihrer eigenen Zustände zu erblicken wissen, so muß ich doch, den vielen bedeutenden Regenströmen, von denen Ihre Briefe Zeugniß geben, auch eine gewaltige Wasserfluth entgegen setzen, welche gestern Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ihre größte Höhe erreichte. Schon einigemale präludirte der Himmel und wiederholte seine Drohung. Gestern gegen Abend aber häuften sich Wolken und Gewitter, daß, um kurz zu seyn, die Weise an meinem Garten völlig überschwemmt war und eine ungestüme Fluth fünf der sieben Stufen, die zu ihm hinaufführen, überströmte und zugleich von dem in Bewegung gesetzten obern Floßholz große Parthien in den Stern zwischen Baum und Busch [120] hinein schob. Das übrige Local meines Gartens fand ich im besten Stande, die Vegetation überhaupt in größter Fülle, die Rosen um das Haus zum herrlichsten blühend. Als ich eben zeitig genug bemerkte daß, bis zum Trocknen der weit ausgebreiteten nahe gelegenen Wiesen, hier kein gesunder und behaglicher Aufenthalt seyn könne.

Eilig jedoch zum Schlusse, mit den schönsten Hoffnungen

treulichst J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Friedrich Jacob Soret. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7F61-1