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An Cornelie Goethe

d. 12 Dec. 65

abends um 8

Liebe Schwester

Es ist heute des Großpapas Geburtstag und du wirst sitzen und schmaußen, mitlerweile ich armer Mensch mit einem Gänse Flügelgen und einer Semmel zufrieden seyn muß. Doch ich will mich vergnügen, indem ich an dich schreibe.

Verschiedene Fragen. Was macht Stellwag? hat ihm sein Herr Schöff noch zu keiner Dorfpfarre geholfen, Es ist ein schönes Ämtgen und schickt sich für ihn.

He that has it, may pass his life
Drink with the 'Squire, and kiss hiss wife;
On Sundays preach, and eat his fill;
And fast on Fridays – if he will;
Toast Church and Queen, explain the news,
Talk with Church – Wardens about Pews
Pray heartily for some new Gift.
And shake his head at Doctor Swift.

Ferner ist Hr. Walter wieder in Franckfurth bey Steizen? ist er es; so laße man ihm sagen wir seyen auf unserer Reise, Nachts um 12 durch Eisenach gekomme [29] und ich hätte das Vergnügen nicht haben können ihn zu sehen. Ich ließ mich also jetzt um sein Wohlseyn erkundigen. Er ist ein sehr umständlicher Mann es wird ihm gefallen. Was macht Hr. Müller? Was macht der Hofraht Moritz? knorrt er noch immer? Hast du lange nichts von dem lieben Mädgen gehört?

Jetzo will ich dir einen auftrag geben. beyliegender Brief enthält ein Neujarsgedicht an den Großpapa. Steck ihn am Neujahrstage zu dir, und des abends wenn sie alle beysammen sind; so überreich ihn, aber nicht eher und mache wenn du kannst dass ihn Hr. Ohme Textor laut ließt. bemercke dann der ganzen Gesellschafft Gemühtsbewegungen und schreibe mir sie treulich. Daß sich aber ja niemand gelusten lässet den Brief vorher etwa zu eröffnen.

Noch verschiedenes von Leipzig. Man kann sie jetzo die Maulbeer stadt nennen, indem rings herum solche Bäume und Hecken gepflanzet sind, die zwar sehr von den Preusen ruiniret worden, doch aber jetzo wieder soviel als möglich hergestellt sind. Es ist hier eine Mahler Academie in der Vestung Pleisenburg in 3 Zimmern recht niedlich angeleget. Hr. Oeser ein geschickter Mann im Mahlen und radiren hat die Aufsicht, und Hr. von Hagedorn die Oberaufsicht darüber. Nähere Nachricht will ich zu geben suchen. (Die Gärten sind so prächtig als ich in meinem leben etwas gesehen habe ich schicke dir vielleicht einmahl den Prospeckt [30] von der Entree Apelischen, der ist königlich. Ich glaubte das erste mahl ich käme in die Elysischen Felder.) Du kannst dem Vater sagen wieviel Louisdor ich noch habe. Aber vorher must du es ausrechnen. Höre zu. Wenn ich noch einmahl so viel hätte als ich habe, und darüber noch die hälfte Ein Drittel, und drey sechstel von dem was ich habe; so würde ich Hundert Louisd, haben. Es ist leicht auszurechnen. (Meine Beinkleider bekomme ich erst in der Neujahrs Messe.) Ich habe wenig ferien die meisten Collegia werden durch die Messe fortgelesen. Ich besuche Fr. Prof. Böhmen sehr oft, die auserordentlich gütig gegen mich ist, ich habe auch schon mehr als 6 mahl dort gespeißt. Ich habe durch sie, und ihren Gemahl viele Particularitäten von Gellerten erfahren. Am Sontage war ich bey Hofraht Langen Abends bey Tische. Es ist ein unerträglich närrischer Man. Meine Tisch Gesellin war Mad. Linken. Sie ist mit hofraht Lange verwandt eine sehr schöne Frau, die einen Schöps zum Manne hat. sie ist sehr artig.

Die böse Welt sagt ihr nach

Her learning and good breeding such,
Whether th 'Italian or the Dutch
Spaniards or French came to her:
To all obliging she 'd appear:
'Twas Si Signor, 'twas Ja mein Herr
'Twas S'il vous plait Monsieur.

Ich aber glaub es nicht.

[31] Sage dem Vater, ich habe hier den II Theil des Spectaculum Naturae et artis gesehen, er soll zu Raspen schicken und ihn hohlen lassen.


d. 23. Dec.

Eben erhalte ich eure Briefe. Was ist das? Wiefroh. Siehe gleich einen Fehler! davor statt dafür. Das Trauerspiel ist von Voltairen und heist Mahomet ou le Fanatisme. Nein Schwester spiele nicht mit, es ist unschicklich. Was! Hast du keine Zeit gehabt? ich will dich lehren so unfleißig zu sein. Mad. Beaumont läßt in dem letzten Magazin die Grundsätze ihrer Religion zu sehr blicken, so daß man schon fest sitzen muß wenn man es mit Nutzen leßen will. Was denckst du Gellert hat uns die ersten zu lesen empfohlen. Nichts vom Decameron Papst hin Pabst her. Der Vater müßte sie dann selbst aussuchen.

Von der Post. an den Papa. für den letzten Brief habe ich hier 6 gr. zahlen müssen. Was ist das für ein Brief von Hrn. Dr. Schlossern? ich habe an ihn geschrieben, und für den zahlte ich 4 gr. aber von ihm hab ich keinen Brief erhalten. Dem Pap. Mam. und dir wünsche glückliche und fröhlige Feyertage.

Schreibe bald und mehr wie du gethan hast, schrieb ich dir nicht auch 3 halbe Bögen und habe weniger Zeit wie du, du kannst ja klein schreiben.

[32]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1765. An Cornelie Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E9F-1