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An Johann Heinrich Meyer

Schreiber hat mit mir gesprochen und ich habe ihm, wie Sie wohl voraus sehen konnten, dringend angerathen den Dienst bey Frau von Heygendorf anzunehmen. Bis Michael mag er in dem bisherigen Verhältniß bleiben, alsdann soll es ganz auf Sie ankommen, wie Sie Ihr Revier wollen bedienen lassen. Bey dem jetzigen gespalteten Geschäft kann ohnehin die Dienerstelle auf bisherige Weise nicht besetzt werden. Möchten Sie doch durch die Courage unseres Rehbein bald wieder hergestellt werden.

Auch mich hatte eine Verkältung in sehr schlechte Zustände versetzt, weshalb ich auch meinen Besuch in Weimar aufgeben mußte. Geh. Hofrath Starke wirkte [189] sogleich durch spanische Fliege und Gift, wodurch denn freylich das Übel schnell genug vertrieben wurde, aber das Cerebral-System empfindet von der Cur noch einige Hinderniß.

Die Prinzessinnen sind sehr munter und artig; zu Ende des Monats gehen sie von hier ab und es wird beiden Theilen erfreulich seyn wenn Sie, mein Werthester, die guten Kinder und ihre freundliche Umgebung manchmal in Belvedere besuchen, ihre hiesigen Studien haben recht artig gefruchtet.

Der Brief den Sie mir rücksendeten ist freylich der seltsamste Mischmasch. Ein schönes praktisches Talent liegt zum Grunde, Maximen, Überzeugungen, Individualität, äußere Einwirkung gehen aber chaotisch durch einander. Manche andere Briefe, auch persönliche Unterhaltung, woran es hier mit Einheimischen und Fremden nicht fehlt, sind zwar in sich selbst nicht so widersprechend, deuten aber auf die schrecklichste Weltverworrenheit. Jedes Fundament worauf besonders bildende Kunst gegründet seyn müßte ist durchaus verloren, weder im Praktischen noch Theoretischen sieht man Heil. Nicht mehr ist Wahrheit dem Irrthum, sondern Irrthum dem Irrthum entgegen gesetzt, wir werden zu wunderlichen Litaneyen bey'm Wiedersehen vollen Anlaß haben. Da wir nun aber einmal die kühnen Worte durch den Zaun der Zähne durchgelassen haben, so müssen wir nun wohl überlegen, inwiefern zu schweigen, [190] abzuwarten und weiter zu sprechen sey. Ich bilde mir ein hierüber einige gute Offenbarungen mittheilen zu können, denen ich die Beystimmung Ihrer Geister wünsche.

Auf diesen und andern Thätigkeiten beruht meine Hoffnung für den nächsten Winter. Mein naturwissenschaftliches Heft folgt nächstens. Möge ich bald vernehmen, daß es Ihnen wohl geht.

Jena d. 21. July 1817.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E1D-3