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An Rosine Städel

Die Leuchter, meine liebe Nichte, Freundin p. und was für hübsche Namen Ihnen allerwegs gebühren, sind glücklichst angelangt und haben wohl gefallen; empfangen Sie den schönsten Dank dafür.

Mögen Sie inliegendes Briefchen an Herrn Rath Schlosser senden, so hat er die Gefälligkeit den Betrag zu berichtigen.

Nun aber muß ich versichern, daß es keine peinlichere Lage sey, als wenn man nicht gebunden und nicht sey, sondern los und locker ist, deshalb auch diese Worte gewöhnlich eine schlimme Deutung mit sich führen. In der großen Ruh und Absonderung des vergangenen Sommers hab' ich viel gethan, mich aber noch mehr compromittirt, so daß ich immer fortzuarbeiten genöthigt bin und mich vor einer Befreyung,[255] die nicht unmöglich scheint, fürchten, wo nicht entsetzen muß.

Meinen Kindern, denen ich das Beste gönne, wird soviel vorgesprochen von dem Schönen und Guten was alles in jenen Gegenden zu Hause ist, und da kamen denn auch die in hiesigen Gegenden ganz fremden Leckereyen zur Sprache: ein großer Appetit nach Artischocken regte sich. Möchten daher die Freundinnen eine Schachtel, oder lieber ein dauerhaftes Schubkästchen uns mit dergleichen Markt- und Rüchenwaaren baldigst durch die fahrende Post zusenden; so würden Sie eine wo nicht rührende, doch höchst angenehme Familienscene veranlassen.

Auch bey nächst eintretender Weinlese und glücklicher Kelterung ein angenehmer Mostsenf zu hoffen, davon ich mir auch ein paar steinerne Flaschen voll erbitte.

Sie sehen hieraus, meine Lieben, daß ich Sie nicht loslassen möchte und von Zeit zu Zeit etwas zu vernehmen hoffe.

Inwiefern ich Ihnen dagegen ein Schwänchen bereiten kann, das ihnen auch vergnüglich und schmackhaft wäre, deshalb dürfen uns einige Versuche nicht reuen. Lassen Sie mich nicht aus Ihrer Nähe; mir wenigstens will es scheinen daß jede Art des Zusammenseyns in dieser wunderlichen Zeitlichkeit höchst tröstlich und erfreulich bleibe.

der Ihre

Weimar d. 20. September 1817.

Goethe. [256]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Rosine Städel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E1A-9