8/2559.

An den Herzog Carl August

[13. – 20. Januar.]

Wie sehr hat mich nach einem so langen Zeitraum Ihr erster Brief erfreut, wäre nur der Schluß tröstlicher gewesen und hätte die Nachricht von dem Falle mir nicht soviel Unruhe gebracht. Ich warte mit Schmerzen auf die Nachricht daß Sie wieder zu Hause, daß keine Folgen zu besorgen sind und bitte Sie inständigst rufen Sie mich, wie ich Ihnen nur einigermaßen nötig scheine zurück. So gewiß ich Jahrelang mit Nutzen hier verweilen könnte, so gewiß hab ich schon die obersten Gipfel des Großen und Schönen gepflückt und kann mein ganzes Leben davon zehren. Gesegnet fühl ich auch die Folgen auf mein Gemüth, das sich erheitert, das offener, theilnehmender und mittheilender wird. Wie sehr danck ich Ihnen, daß Sie mir so freundlich entgegen kommen, mir die Hand reichen und mich über meine Flucht, mein Aussenbleiben und meine Rückkehr beruhigen.

Endlich geht heut die umgeschriebene Iphigenie ab, nun werd ich gleich den Egmont endigen daß er wenigstens ein scheinbares Ganze mache.

[136] Das wichtigste, woran ich nun mein Auge und mei nen Geist übe sind die Style der verschiednen Völcker des Alterthums und die Epochen dieser Style in sich, wozu Winckelmanns Geschichte der Kunst ein treuer Führer ist. Mit Hülfe der Künstler Augen und eigner Combinations Gabe, suche ich so viel als möglich manches zu finden und zu suppliren, was uns Winckelmann jetzt selbst geben würde, wenn er in diesen Jahren eine neue Ausgabe veranstalten könnte. Von der neuen Kunst genieß ich was ich darneben kann.

Auch hab ich mich zu den Gemmen gewendet und werde eine kleine Sammlung der besten Schwefel mitbringen.

Vor einigen Tagen waren wir bei Jenckins. Dieser kluge und glückliche Schalck besitzt die herrlichsten Sachen. Er hat sich von kleinen Anfängen, durch geschickten Gebrauch der Zeit der Umstände und durch Vorschub seiner Landsleute zu einem großen Vermögen heraufgebracht.

Erst neulich als die Villa Negroni zu Kauf stand, associirte er sich mit einem, der zu dem Grund und Boden Lust hatte, er trat für die Statuen an und für allen Marmor in der Villa. Dafür gab er 12000 Scudi. Nun wendet er vielleicht noch 6000 auf die Restauration und den größten Theil dieser Summe löst er aus drey sitzenden Statuen wieder, die köstlich schön sind und drey Philosophen vorstellen. An unsre Zeichenakademie hab ich vielfältig gedacht, [137] auch einen Mann gefunden, wie wir ihn einmal brauchen wenn Krause abgeht, daß man mehr aufs solidere kommt. Ich habe wohl immer bey dem Einfluß, den ich auf die Schule hatte, gefühlt daß ichs nicht verstand; nun weiß ich das wie und warum.

Der Fürst v. Waldeck aus Böhmen ist hier, er empfiehlt sich Ihnen aufs beste. Es ist das fünftemal daß er nach Rom kommt. Er besitzt ein großes Münzkabinet welches zu kompletiren er gewaltig kauft. Doch sind seine Liebhabereyen nicht bloß antiquarisch, er hat eine schöne Böhmische Dame zur Gesellschafft. Sie war den letzten Sommer auch in Carlsbad, wir hörten aber nur ihre Liebenswürdigkeit rühmen, sie war schon als wir ankamen nach Töplitz abgegangen. Sie ist mit dem Bischoff von Prag verwandt, ihr alter Mann ist mit hier.

Der Fürst will die Küste von Albanien bis Dalmatien herauf bereisen, wenn ihn die Pest nicht hindert welche drüben herum schleichen soll. Er hat mir von einem ungeheuren Campement erzählt welches künftigen Sommer zwey Armeen die Böhmische und Mährische halten sollen. Sie werden davon schon beßer unterrichtet seyn.

Hier machen die Erklärungen der drey Geistlichen Churfürsten gegen die Anmaßung der Nunzien großes Aufsehn. Vorgestern haben die Maynzischen und Trierischen Geschäftsträger deshalb Audienz beym Papste gehabt. Cöln war vorausgegangen.

[138] In das neue lebendige Rom mag ich gar nicht hineinsehen, um mir die Immagination nicht zu verderben. Unmöglich kann es eine schlechtere Administration geben.

Man schreibt mir daß Sie wieder wohl zu Hause erwartet werden, daß Sie gleich nach Carlsruhe abgehn, das ist für Ihr Befinden ein gutes Zeugniß. Ich schicke deßhalb diesen Brief an Edelsheim. Bleiben Sie mir wohlgesinnt, damit ich mich meines Rückzugs über die Alpen lebhafft freuen möge.

Rom d. 20. Jan. 87.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7B5A-6