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An Ludwig Tieck

[Concept.]

[2. Februar 1820.]

Ew. Wohlgeboren

freundliches Schreiben und lehrreich Sendung konnte nicht, wie ich wohl gewünscht hätte, gehörig honoriren, indem ich den zugewiesenen jungen Mann wegen katarrhalischen Fieberleidendes nicht aufnehmen [160] und sprechen. Jedoch verfehle nicht durch Gegenwärtiges meinen aufrichtigen Dank ungesäumt abzustatten.

Den Aufenthalt in Dresden gönne und mißgönnt meine besten Freunden und freue mich, wenn Ihre Gesundheit erlaubt, das dortige Gute völlig zu genießen und zu nutzen. Die reich ausgestatteten Blätter über Shakespear und seine Zeitgenossen haben mich wieder auf einmal an alles was mir von jener Sprache nach und nach einzeln bekannt geworden; und so machte dieser mir gegönnte kurze Entwurf freylich den Wunsch rege, jene merkwürdige Zeit vor Sinn und Einbildungskraft umständlich entfaltet zu sehen. Ich begreife aber freylich die große Schwierigkeit, ein so reiches und verschränktes Leben, die wechselseitigen Wirkung so bedeutender Menschen darzustellen, besonders wenn man denkt daß bey'm Theater immer nur vom Augenblick die Rede ist und die wunderliche, bunte, zufällige Abwechslung desselben sich zu einem geschichtlichen Vortrage kaum bequemen mag.

Von dieser Wahrheit werde ich so eben überzeugt, da ich die Geschichte des weimarischen Theaters, das ich so viele Jahre selbst und nicht ohne eine gewisse Methode geführt, mir genugthuend und andern faßlich entwerfen möchte. Ein solches Geschäft ist aus so vielen Elementen zusammengesetzt und erlebt zu gleicher Zeit soviel Hinderliches als Förderliches, [161] so daß man allenfalls nur vom Effect Rechenschaft geben kann, nicht aber von Weg und Mittel wie man ihn erlangte.

Mit den besten Wünschen und Empfehlungen.

Weimar den 23. Januar 1820.

Zum Schlusse muß ich noch ausführlicher sagen, daß meine Kinder Ihre Grüße zum allerschönsten erwidern. Der Aufenthalt in Berlin hat ihnen einen solchen Reichthum von Gegenständen und Persönlichkeiten in den Geist und soviel Freundliches und Liebliches in's Gemüth gebracht, daß unsere Winterunterhaltung dadurch sehr angenehm und lebhaft wird. Auch Ihrer geneigten Theilname haben sie sich oft dankbar erinnert.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Ludwig Tieck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-792D-D