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An Johann Friedrich Cotta

Wenn ich Ew. Wohlgebornen lange nicht geschrieben, so ist das kleine Heft schuld daran, das ich hier beylege. Ich konnte darüber nicht gleich mit mir einig werden; um aber Briefe und Sendung nicht lange zurückhalten, will ich mich darüber, so gut ich weiß und kann, erklären, wenn ich Ihnen vorher für Ihr freundliches Andenken zum neuen Jahre meinen Dank gesagt und Ihre Wünsche herzlich erwiedert habe.

Herr von Varnhagen, als er mir die gedachten Blätter schickte, meldete mir, daß Sie von seiner Absicht, dieselben drucken zu lassen, unterrichtet seyen, daß Sie aber meine Einwilligung dazu verlangten.

Nun möchte es freylich bedenklich scheinen, daß Jemand zu Publication einer Schrift, worin soviel Gutes von ihm gesagt wird, förmlich seine Consens gebe; allein ich ehre sowohl Ihre als Herrn von Varnhagens Gesinnung nichts der Art ohne mein Wissen[284] vorzunehmen. Bedenke ich aber dagegen, daß seit so vielen Jahren gar manches für mich und gegen mich publicirt worden, und daß ich Niemanden je gehindert habe, übels von mir zu sagen; so sehe ich nicht ein, warum ich mich widersetzen sollte; wenn Jemand das Gute was er von mir denkt, öffentlich bekennen will, und hier um so weniger, da doch auch in diesen Hefte manches an mir und meinen Arbeiten für problematisch, ja für tadelnswerth gehalten wird. Ich überlasse also Ew. Wohlgebornen völlig, welchen Gebrauch Sie von diesen Blättern machen wollen; nur bitte ich, Herr von Varnhagen zu benachrichtigen, daß solche in Ihren Händen sind.

Wie diese Blätter zu publiciren, wüßte ich kaum zu sagen. Sie sind zwar eng geschrieben, aber würden doch gedruckt nur ein geringes Heft ausmachen. In den Damen-Calender passen sie kaum, am wenigsten aber ins Morgenblatt, wo ich sie auf keine Weise zu sehen wünschte. Wollte man sie einzeln herausgeben, so müßten sie niedlich, ja splendid gedruckt seyn, um eine Art von äußerm Ansehn zu erhalten. Als eine ohne typographischen Schmuck, hinausgeworfene Broschüre würde ich sie abscheulich finden. So wäre denn die Correctur und Revision aufs genauste zu besorgen, da ohngeachtet der scharfen Hand, doch manche Buchstaben ein Versehen möglich machen. Vielleicht sagen Sie mir über alles das Ihre Gedanken, ehe Sie zu Werke schreiten.

[285] Diesen Winter habe ich mich mehr als ich erwünschte und dachte, mit dem Theater beschäftigt und eine Redaction von Shakspeares Romeo und Julie vorgenommen. Sie hat mir viel Zeit gekostet; die Aufführung am 30. Januar aber ist auch besonders geglückt. Der einzige Gewinn ist, daß wir ein Stück auf dem Repertorio mehr haben, welches jährlich einige Male wiederholt werden kann, und dieß ist jetzt für ein deutsches Theater schon ein Großes, da alles täglich ephemerer zu werden scheint. Für den Druck ist das Stück nicht geeignet, auch möchte ich denen abgöttischen Übersetzern und Conservatoren Shakespeares nicht gern einen Gegenstand hingeben, an dem sie ihren Dünkel auslassen können.

Ich setze nichts weiter hinzu, damit diese Sendung nicht abermals liegen bleibe. Da sie aber ohnehin über das Volumen eines Briefes hinausgeht, so lege ich einige Verzeichnisse meiner Handschrift-Sammlung bey, mit inständiger Bitte, mir von der Hand Ihrer älteren und neuern schwäbischen bedeutenden Männer einige Zeilen zu verschaffen. So fehlt mir z.B. Spittler und Kielmeyer. Vielleicht theilte letzterer, wenn Sie ihn von mir schönstens grüßten und ersuchten, etwas von Cuvier mit, von dem er mehrere Briefe besitzt. Sollte es nicht irgend ein älteres oder neueres Tübinger Stammbuch geben? Auch Hebels Handschrift, vielleicht eins seiner Gedichte von seiner Hand, wäre mir sehr erwünscht.

[286] Für dießmal schließ ich, in der Hoffnung bald wieder von Ihnen etwas zu hören, daß Sie recht wohl befinden und daß Ihre Geschäfte erwünscht fortschreiten. Ich empfehle mich einem geneigtem Andenken und sehe der Zeit mit Vergnügen entgegen da ich Sie wieder hier an Ort und Stelle begrüßen werde. Allen Freunden wünsche ich durch Sie empfohlen zu seyn.

Weimar

den 21. Februar

1812.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78FF-C