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An Ottilie von Goethe

Indem ich hoffen kann, daß du deine Tagebücher, wiewohl mit einiger Aufopferung immer fortsetzen wirst, so bereite ich dir zum voraus abermals ein erwiderndes Blättchen. Bemerke und bedenke folgendes:

Wenn du Herrn Criminalrath Hitzig irgendwo begegnest, so kannst du wohl ein freundliches Gespräch einleiten. Es ist der Herausgeber von Hoffmanns Leben und der freundliche Sender des Exemplars, dessen du dich bemächtigt hast; ob ich ihm gleich dafür nicht dankte, so hat er mir doch das Wernerische Leben gesendet, was eigentlich auch in deine Bibliothek gehört. Auch dafür bin ich ihm noch Dank schuldig, der, durch dich abgetragen, wohl Capital und Zinsen berichtigen wird.

Die Kinder haben dir für die Jagd nicht gedankt, das macht ich habe secretirt. Sie spielen nun Abends bey mir damit, wovon Walther im nächsten Briefe Nachricht geben wird. Auch hab ich Rechenpfennige angeschafft, woran sie Gelegenheit finden werden ihre kleinen anmuthigen Händel, so wie ihre Versöhnbarkeit zu üben.

Wahrscheinlich gibt Ulrike dir von den Agitationen Nachricht die unser kleines Wesen, wo nicht groß, doch interessant machen. Händel auf Händel erzeugt die Maskerade und zwischen alles durchwirkt [32] Flaviens Verloben gar lebhaft und gewaltig. Da ich gerade die vor langer Zeit verloschenen Vulkane mir historisch wieder entzünden muß, so kann ich wirklich mein physisches Feuer an diesem moralischen leicht wieder anblasen.

Hiebey hab ich nun Sorets zu gedenken der mit großer Treue und Neigung, schon mehrere Wochen her, seine freyen Stunden anwendet meine böhmischen Schätze zu mustern. Man sieht doch dabey wie sehr gegründet er in diesem Studium ist. Für seine redlichen Bemühungen aber wirst du hoffentlich gern einen Theil der Belohnung übernehmen.

Die Engländer fahren wie billig fort viel Glück zu machen, doch scheint es mir gerade nicht als ob sie geneigt wären sich fest halten zu lassen, daher will ich rathen zunächst das Ahnen einer treuen Seele zu respectiren.

Einen köstlichen Brief hab ich von Zelter, danke ihm dafür zum allerschönsten. Manchmal wollt es mich betrüben daß er mich in gar zu schlechten Zuständen neulich antraf; dann muß man es aber auch wieder für gut halten dergleichen Tage und Stunden zusammen verlebt zu haben.

Freundin Szymanowska ward in Braunschweig freundlich aufgenommen, flog durch Hannover durch, gelangte pfeilschnell nach Frankfurt, wo Schlossers ihr gefällig waren. Dieß meldete sie an den Canzler der bey dieser Gelegenheit mir ein Empfehlungsschreiben nach Paris, wozu ich gar nicht geneigt war,[33] wirklich vom Herzen weg diplomatisirte; er machte es aber so geschickt und künstlich, daß ich mit lächelndem Bewußtseyn nicht widerstehn konnte.

Morgen frühe schlagen sie einem Missethäter das Haupt ab, Abends gibt Hartknoch ein Conzert; unzählige Nähnadeln sind den Tag über in Activität um die mannichfaltigsten Charaktere herauszustutzen. Dazwischen pickt denn auch eine oder die andere Nadel des Mißwollens auf Braut und Bräutigam, auf Rivale mit oder ohne Maske, und auf die übrigen öffentlichen Geheimnisse des Hofes und der Stadt. August ist, nach zurückgelegtem Hofdienste, wieder ganz haus- und kellerhaft, Ulrike küchenartig, doch auch mit Sticheln in bunter Wolle wenigstens nicht zurückbleibend. Meistens jeden Tag ein neuer Gast; die Kinder sind sehr scharmant und wenn du nicht bald wieder kömmst, so wirst du nicht recht wissen wo du Platz finden willst. Sey also nicht zu verwegen in der Königstadt und bedenke, daß man seinen Sitz nicht zu lange verlassen muß wenn man ihn behaupten will. Dieß sagte ich nicht, wenn ich nicht wüßte daß du schwer zu erschrecken bist.

treulichst

Weimar Montag den 26. Jenner 1824.

G.


So eben kommt dein liebes Tagebuch bis zum 24. Januar worauf denn auch bald von hier das Weitere erfolgen wird. Weimar den 30. ejd. 1824.

G. [34]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Ottilie von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78F9-7