6/1609.

An Johann Heinrich Merck

[November.]

Was das Langensalzer Horn betrift, so wirst du aus dem Merkur die Zeit her näher gesehen haben weß Geistes Kind es ist und ich würde deinen Auftrag sogleich ausrichten, wenn ich nicht fürchtete dir selbst den Kauf zu verderben. Ich mag schreiben laßen durch wen ich will so merkt man daß es von hier kommt, glaubt daß es vor das Jenaische Cabinet soll und fordert nur mehr. Im Merkur wird so schon von Königen und Fürsten geschwäzt die es bezahlen sollen. Schreibe du lieber gerade zu dahin als bürgerlicher Liebhaber, so erhälst du vielleicht beßere Conditionen.

Reichert hat dir schon geantwortet, wie ich von ihm höre.

Coiter ist nicht auf der hiesigen Bibliothek, wenn er in Jena ist sollst du ihn haben.

Voigt ist auf dem Harz gewesen und hat recht artige Bemerkungen gemacht. Er giebt iezt sein Werkchen über das Fuldische heraus, und wenn du von deiner Seite hübsch fleißig bist, so werden wir bald zusammenrüken. Ich habe die Charpentierische mineralogische [81] Charte erweitern laßen, so daß sie nun vom Harze biß an den Fichtelberg, von dem Riesengebürge biß an die Rhön reicht, laß dir doch etwa nur eine Homannische Charte durchzeichnen und trage mit Charpentiers Zeichen darauf die Gebürgarten ein wie du sie erfährst. Es ist das sicherste Mittel bald Begriffe von dem Ganzen zu kriegen. Ich habe große Lust bald eine mineralogische Charte von ganz Europa zu veranstalten das man mit weniger Arbeit schon gegenwärtig im allgemeinen wird machen können.

Man läßt nur eine Anzahl Exemplare abdruken und kann, ie mehr man erfährt und zusammenträgt auf der Platte nachstechen laßen.

Der Abbé Giraud Soulavie hat eine artige Bemerkung gemacht. In den höchsten Kalchbergen, welche zugleich die untersten sind im mittägigen Frankreich, finden sich versteinerte Seethiere die gegenwärtig nicht mehr lebendig existiren. Das Gebürg das niedriger ist und auf dem vorigen aufliegt enthält Überreste von ienen zugleich aber auch von solchen deren Geschlechter noch fortdauern. Die dritte Gebürgsreihe welche auf der zweiten wieder aufliegt enthält allein Versteinerungen welche noch im Mittelländischen Meere leben. Es ist die Frage und wird bald zu untersuchen seyn ob dieses bey uns auch so ist. Es scheint nicht so, denn die blankenburger Marmore enthalten Ammonshörner wie der Ettersberg auch. Hat irgend von den Versteinerungsammlern etwa einer schon aus[82] diesem Gesichtspunkte die Sache betrachtet und etwas darüber geschrieben? Ich glaube kaum.

Ich sehe alle Tage mehr daß wir zwar werden auf Büffons Weege fortgehen aber von denen Epochen die er festsezt abweichen müßen. Die Sache wird, wie mir scheint, immer konplicirter.

Wegen des Granits, ob ich gleich überzeugt bin daß er die Basis unserer bekannten Oberfläche ist, werden wir aber doch wohl nachgeben und einen granit secondaire statuiren müßen. Es wird dieses zu vielen Discusionen Anlaß geben. Allein mir scheint als wenn auch dieses am Ende sich so schweer nicht lösen wird; wir sehen daß der aufgelöste Granit als Gneuß wieder zum festen Steine wird, warum sollte er aufgelöst nicht auch wieder als Granit zum zweytenmale zur Festigkeit gelangen. Wir finden welchen der mit den Säuren braußt; sollte dies nicht Granit der zweyten Zeit seyn? Was hältst du von der Idee, daß aus einem Granite, in dem Feldspat und Glimmer zum größten Theile verwittern, wenn ihn eine Auflösung von Eisen durchdränge und er sodann wieder in den Zustand der Versteinerung käme, daß daraus eine Art rothen Porphyrs entstehen müße.

Ich habe zu wenig Zeit zu lesen und weiß also nicht, was man über diese Sache schon gedrukt hat. Wenn ich aber hie und da in einem Journale sehe so scheint mir doch als wenn man mit allgemeinen und treffenden Ideen noch ziemlich zurüke sey.

[83] Die Harzer Wakke, welche mit dem Thonschiefer durchaus abwechselt macht iezt Voigten und mir viel Kopfbrechens. Auch davon sollst du mit Gelegenheit mehreres hören.

Zwischen Schweden und Norwegen ziehet sich ein wunderbarer hoher Gebürgsrüken, der durchgehends aus einem Gemenge von Quarz und Glimmer besteht. Beide Substanzen liegen nicht verwirrt unter einander, sondern in Schichten die von einer Linie biß zu einem Zoll dik werden und sich leicht von einander ablösen laßen, dabey findet man im Quarz allemal etwas weniges Glimmer im Glimmer hingegen allemal, obgleich wenig Quarz. Man mögte also wohl dieses eine besondere Art von Gneuß nennen. Auf tieferen Punkten besteht das Gebürge aus Granit. Noch eins von dem Granit sekondaire! Der Abbé Soulavie vermischt in seinem übrigens sehr schönen Buche offenbar mehrere Steinarten unter diesem Tittel, und beschreibt einige daß man ganz deutlich sehen kann es sey der Gneuß darunter zu verstehen. Dieser kann nun freylich auf dem Marmor aufliegen. Die übrigen Kennzeichen die er von seinem Granit sekondaire giebt sind mir nicht ganz deutlich. Wenn du etwas davon liesest oder findest laß es mir zukommen.

Der Herzog hat dir über Tischbeins Bild geschrieben, ich weiß zwar nicht was, aber so viel hab ich doch gemerkt, daß er ihm nicht ganz hat Gerechtigkeit wiederfahren laßen. Laß ia den iungen Künstler [84] nichts davon merken, denn so ein guter Mensch wird irre gemacht und weiß gar nicht woran er ist.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7878-B