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An Philipp Seidel

Du thust sehr wohl, mein Lieber, dich mit Betrachtung der Natur zu beschäfftigen. Wie der natürlichste Genuß der beste ist; so ist auch die natürlichste Betrachtung die beste. Deine Beobachtungen sind recht gut. Du bist auch auf einem guten Wege zu beobachten. Nur mußt du dich in acht nehmen, daß du deinen Folgerungen nicht zuviel Werth gebest. Ich will nicht sagen, daß du keine Folgerungen machen müßtest, denn das ist die Natur der Seele. Nur mußt du immer deine Meynung geringer halten als dein Auge. So nützen mir Z. E. deine Beobachtungen recht wohl, wenn ich dir in Meynungen und Kombinationen überlegen bin. Aber du mußt durch alle diese Wege gehen und die Freude, die du über eine solche Entdeckung hast, ist das wahre Kennzeichen, daß du weiter und weiter gehen wirst. Schreibe mir alles, was du auf diesem Wege triffst. Mich interessirt's sehr und ich lerne immer. Lebe wohl. Führe den Jenaischen Kayser zum Hrn. Herder.

Laß mir nächstens einige hundert Thaler anweisen.

d. 21. Dec. 87.

G. [313]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7877-D