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An Betty Jacobi

[Frankfurt, Anfang Februar 1774.]

Mir ist's recht wohl liebe Frau, und danck Ihnen für Ihren doppelt und dreyfachen Brief. Diese dritthalb Wochen her ist geschwärmt worden, und nun sind wir zufrieden und glücklich, als mans seyn kann. Wir sag ich, denn seit dem funfzehnten Jenner ist keine Branche meiner Existenz einsam. Und das Schicksaal mit dem ich mich herumgebissen habe so offt, wird ietzt höflich betittelt, das schöne, weise Schicksal, denn gewiss das ist die erste Gabe, seit es mir meine Schwester nahm, die das Ansehn eines Aequivalents hat. Die Max ist noch immer der Engel der mit den simpelsten und werthesten Eigenschafften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl das ich für sie habe worinn ihr Mann nie Ursache zur Eifersucht finden wird, macht nun das Glück meines Lebens. Brentano ist ein würdiger Mann, eines offnen starcken Charackters, viel Schärfe des Verstands, und der tähtigste zu seinem Geschäfft. Seine Kinder sind munter einfach und gut. Thun Sie noch den lieben Dümeix dazu und eine Freundinn so haben Sie unser ganzes Klümpgen. Unsere Mama la Roche hat uns am lezten Jenner verlassen, und meine gelassene Freundschafft hat sich wieder belohnt gesehen. Ich fühle daß ich ihr weit mehr binn, sie mir weit mehr ist, als vor zwey Jahren, ia als vorm [143] halben Jahr. So wahr ist's dass wahre Verbindungen Zeit brauchen, wie Bäume um Wurzeln zu treiben, Kronen zu bilden und Früchte zu bringen.

Wenn Sie wüssten liebe Frau mit welchem Herzen und welchen Worten wir offt Ihrer erwähnt haben, Sie würden Sich zu uns gesehnt haben, und sollten an unserm Tische nicht gewesen seyn. Dancke für den Anteil an Andres Schicksaal. Er ist gifftig, läßt mir aber nichts merken, scheints traut er mir nicht, und glaubt ich hätte Ihnen gar nichts geschickt. Genug wir haben das unsrige gethan – Am meisten schierts ihn dass man seine Producktion unter die Nachahmungen gesetzt hat. Tirelireli! Was ist's um einen Autor!

Eine mächtige Kälte zieht durchs Fenster bis hierher an mein Herz, zu tausendfacher Ergözung. Ein groser Wiesenplan draussen ist überschwemmt und gefroren. Gestern trugs noch nicht, heut wird gewagt. Vor 10 tagen ohngefähr waren unsre Damen hinausgefahren unsren Pantomimischen Tanz mit anzusehen. Da haben wir uns prästirt. Gleich drauf thaut es. und iezt wieder Frost. Halleluja! Amen!

Lotten und der Tante meinen Danck und meine Grüsse.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1774. An Betty Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77C3-7