6/1625.

An Friedrich Heinrich Jacobi

Tausend Dank für deinen Brief, er hat mir Freude gebracht und wird mir auch Segen bringen. Ich kann dir wenig sagen darum schick ich dir Iphigenien nicht als Werk, oder Erfüllung iener alten Hoffnungen werth, sondern daß sich mein Geist mit dem deinigen unterhalte, wie mir das Stück mitten unter kümmerlichen Zerstreuungen, vier Wochen eine stille Unterhaltung mit höheren Wesens war. Möge das fremde Gewand und die ungewohnte Sprache dir nicht zuwieder seyn und die Gestalt dir anmuthig werden.

Grüße die Deinigen und erhalte dich ihnen. Von meiner Lage darf ich nichts melden. Auch hier bleibe ich meinem alten Schicksale geweiht und leide wo andere genießen, genieße wo sie leiden. Ich habe unsäglich ausgestanden, und freue mich herzlich daß du mit Vertrauen nach mir hinsiehst. Laß mich ein Gleichniß brauchen. Wenn du eine glühende Masse Eisen auf dem Heerde siehst, so denkst du nicht daß soviel Schlacken drinn stecken als sich erst offenbaren wenn es unter den großen Hammer kommt. Dann [92] scheidet sich der Unrath den das Feuer selbst nicht absonderte und fließt und stiebt in glühenden Tropfen und Funken davon und das gediegne Erz bleibt dem Arbeiter in der Zange.

Es scheint als wenn es eines so gewaltigen Hammers bedurft habe um meine Natur von den vielen Schlacken zu befreyen, und mein Herz gediegen zu machen.

Und wieviel, wieviel Unart weis sich auch noch da zu verstecken.

Lebe wohl. Schicke mir das Stück, wenn du es gelesen, wieder.

Von der Fürstinn habe ich wie du denken kannst viel gehört, doch bleibt meine Idee von ihr ganz unbestimmt. Hast du nicht einen Schattenrieß von ihr. Lebe wohl.

Weimar d. 17ten Novbr. 1782.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-774B-A