[41] 8/2649a.

An Christian Friedrich Schnauß

Rom d. 24 März 88.

Nun kann ich endlich das fröhliche Wort niederschreiben: ich komme! Eher wollte ich auch keine Feder ansetzen, biß ich deßen gewiß war.

Mit Freuden folge ich den Wincke unsers gnädigsten Herrn und dem Rufe meiner Freunde. Auch Sie theuerster Herr Collega zähle ich unter die, welchen meine Ankunft einiges Vergnügen macht. Wie sehr hoffe ich Sie gesund und wohl zu umarmen, und in guter Stunde allerley italiänische Späße zu erzählen. Die Freylichkeiten der heiligen Woche habe ich alle gesehen, einige (als die Fußwaschung und das Speisen der Pilger) nicht ohne Beschwerlichkeit. Die Musick in der Sixtinischen Capelle ist einzig und überhaupt sind alle Funcktionen mit unglaublichen Geschmack und Anstand disponirt und eingerichtet. Heute und Morgen Abend steht uns noch das Feuerwerck von der Engelsburg bevor, dann werde ich mein Herz und meinen Sinn von dieser Stadt der Musen wegwenden, welche gefährlicher als Sirenen singen.

Ich bin sehr fleißig gewesen und doch, wie es zu gehen pflegt, nicht so fleißig als ich wünsche. Ich bringe allerley zierliche Sachen mit, woran für Künstler und Liebhaber manches zu lernen seyn wird.

Unser gnädigster Herr hat mir manches über verschiedene Einrichtungen geschrieben, die er gemacht hat, [41] und zu machen ist, auch über mein eigen Verhältniß zeigt er die gnädigsten Gesinnungen. Ich unterschreibe alles und werde an jedem Platze, auf jeder Stelle meine Treue und meinen guten Willen wie ehemals zu zeigen bereit seyn. Für die erste Zeit nach meiner Rückkunft habe ich noch um einigen Urlaub gebeten, damit ich mich in ein, während meiner Abwesenheit so mannigfaltig verändertes Verhältniß wieder zurecht finden möge.

In dieser Gegend hat der Frühling schon mit Macht und Lust seinen Einzug gehalten. Da es diesen Winter viel geregnet, so treibt das Grün gar lebhaft.

Schon lange sind die Gemüßgärten frisch bepflanzt und die Küchengewächse grünen in zierlichen Beeten. Der Lorbeer, das Biburnum, der Buchs, die Mandeln, Pfirsiche, die Citronen blühen theils, theils haben sie verblüht. Alle Dächer sind grün, und die alten Mauern werden durch das neue gelbliche Laub des Epheus und durch die herunter hängenden Blüten des Viburnum gar lustig. Anemonen, Ranunkeln, Tulipanen, Hyazinten, Primel pp stehn in allen Gärten munter und froh, die ersten sogar auf Wiesen. Alles macht Vergnügen und wenn ich nun nach Norden ziehe werde ich den Frühling immer vor mir finden. Im Ganzen ist es mir sehr lieb nicht noch einen Versuch eines Italiänischen Sommers zu machen.

Leben Sie recht wohl auf deutschem Grund und Boden, wo ich Sie bald zu umarmen hoffe. Empfehlen [42] Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Die Frauenzimmerchen und Carlen werde ich ja wohl recht groß antreffen. Empfehlen Sie mich allen Freunden. Krause höre ich ist sehr fleißig und macht gute Sachen.

Ganz der Ihrige

Goethe. [43]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An Christian Friedrich Schnauß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76AE-3