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An Philipp Christoph Kayser

Rom d. 14. Aug. 87.

Mein langes voriges Schweigen will ich diesmal durch eine schnelle Antwort gut machen. Ich schwimme wie in einem Meere von Gegenständen und möchte alles gerne nutzen, da reichen Zeit und Kräfte nicht hin und man sieht einem Monate hintennach, als wenn er nicht dagewesen wäre. Noch bleibe ich in Italien und halte meinen Schulstand aus, ich möchte wenigstens einigen Dingen auf den Grund kommen, einige Begriffe, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausbilden und es scheint mir nicht ganz unmöglich wenn ich nur das gehörige Maaß von Zeit dranwenden will.

Über unsre Oper und wie wir sie nun sachte ins Publikum leiten müßen, schreib ich nächstens und schicke eine Art Ankündigung zu der Sie das Ihrige dazuthun sollen; hernach mag etwa Göschen, wenn er sich einzulaßen Lust hat, Gevatterstelle vertreten daß wir mit dem mechanischen der Ausgabe, sie geschehe nun wie sie wolle, nichts zu thun haben.

[243] Nun unterdeß biß wir uns sprechen, biß wir an die neue Oper gehn und überhaupt gemeinsam weiter schreiten, will ich Ihnen etwas zusenden, womit Sie sich vielleicht beschäftigen. Ich meyne den Egmont im Manuscripte. Er kann auf dem Wege nach Deutschland bey Ihnen durchgehn. Wollten Sie alsdann etwa die Symphonie, die Zwischenackte, die Lieder und einige Stellen des fünften Ackts, die Musick verlangen, komponiren; so könnte man es gleich mit der Ausgabe anzeigen, man gewöhnte sich Ihren Nahmen mit dem meinigen zu sehen und es gäb uns vielleicht für die Oper eine Einleitung. Es kommt alles darauf an wenn Sie das Stück sehen werden. Damit hätten Sie eine Weile etwas bestimmtes zu thun, das Ihnen auf ein oder die andre Weise fruchten müßte. Und es würde die Frage seyn wie bald Sie so eine Arbeit zu liefern getrauten? und ob man sie gleich mit dem fünften Bande ins zu Publikum schicken könnte? daß Ihre Composition gleich auf allen Theatern Fuß faßte, denn ich glaube Egmont wird gleich gespielt werden. Wenigstens hie und da.

Ich hoffe in 14 Tagen kann das Stück von hier abgehn und also halb September bey Ihnen seyn.

Was Sie mir von unserm Wercke sagen, kann ich so sehr fühlen und freue mich unendlich drauf es in seiner jetzigen Kraft zu begegnen.

Nun auch ein Wort von der neuen Oper. Ich habe nichts weniger vor: als die famose Halsbands [244] Geschichte des Card. Rohan, zur Opera Buffa zu machen, zu welchem Zweck sie eigentlich geschehen zu seyn scheint. Es sind fünf Personen.

Der Abbé stellt den Cardinal vor. M. de Courville die M. la Motte. Ihre Nichte die Oliva. Der Ritter einen jungen Menschen der sein Glück machen will und der Conte di Rostro impudente den unverschämtesten aller Charlatane. Dabey kommt in verschiednen Scenen ein Chor und manchmal einzelne, ein wenig mehr karackterisirte, Personen des Chors vor, um zur rechten Zeit den Gesang vollstimmiger, aus einem Duett ein Quartett pp machen zu können. Sie sollen am Mechanischen sehen daß ich in Italien etwas gelernt habe und daß ich nun beßer verstehe, die Poesie der Musick zu subordiniren.

Sobald Sie mir schreiben daß Ihnen der Gedancke gefällt, schicke ich Ihnen eine Scizze des Plans. Damit Sie Ihre Anmerckungen machen und man in Zeiten dazu und davon thun könne.

Einige Pezzi Musick werden gewiß reüssiren. DerAnfang wo die Gesellschaft bey einem niedlichen Abendessen versammelt ist, ob ihr gleich der Graf geboten hat sich zu kasteyen weil er ihr die Geister zeigen will. Ihre Freude wird durch die Ankunft des Grafen gestört der sie auf das Tyrannischte tracktirt, sie heruntermacht, fortzugehn droht und sich nur durch allgemeines fußfälliges Bitten besänftigen läßt. Ferner die Scene wo die Nichte als eine innocente in einer[245] gläsernen Kugel die Liebesschicksaale des Abbés sehen muß. Dann die Schlußscene, wo das nächtliche Rendezvous vorgestellt wird und sie alle drüber in Verhaft genommen werden. Leben Sie wohl. Schreiben Sie mir bald so sollen Sie mehr hören. Gedencken Sie mein in Liebe. Und sagen mir auch ein freundlich Wort über den vierten Theil wenn er ankommt.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Philipp Christoph Kayser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-74CB-D