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An Carl Friedrich von Reinhard
Wir dürfen wohl für ein schönes und glückliches Zeichen halten, theuerster Mann, daß zwey Geburten zusammentreffen, wovon die eine Ihres treuen Freundes Haus, obgleich nicht ohne Sorge für die Mutter, froh macht; die andere aber auf das Schicksal des Staats, dem Sie angehören, und im gegenwärtigen Augenblicke auf das Schicksal der Welt überhaupt vom größten Einfluß zu achten ist. Denn hier hat [320] sich, in Gefolg wunderbarer Zufälligkeiten, ein Umstand ergeben, der, wenn er nicht mit großer Charakterfassung wäre geleitet worden, neues Unheil, durch parteiische Zweifelsucht, hätte stiften können.
Lassen Sie uns also auch hier die Stärke des Frauengeistes verehren, der in solchen Momenten alles übertrifft, was eigentlich jemals gefordert werden konnte.
Zum 15. dieses werd ich nach Weimar hinübergehen, aber doch wieder zurückkehren; ich möchte die mir anvertrauten Geschäfte recht nett und für den Winter wohl ausgestattet zurücklassen.
Das Heft Naturwissenschaft ist auch abgeschlossen; sobald ein Exemplar geheftet in meinen Händen ist, geht es an Sie ab. Auch diesen Bogen werden Sie die frühere Wohlthat erzeigen, um des Freundes willen die Gegenstände, von denen gehandelt wird, lieb zu gewinnen. Mir geht es mit der Publication dieser ältern Papiere gar wunderlich, ich muß wider meinen Tugenden freuen und über meine Mängel den Kopf schütteln; beides pflegt man sonst gern zu vermeiden.
Vorstehendes war schon längst geschrieben und lag nur in Erwartung der Heftes, der hier beykommt. Eben bin ich im Begriff, mich von Jena endlich loszulösen, wobey gar mancherley zu thun ist. Nur flüchtig danke daher für Ihren herrlichen Brief, der [321] mir Nahrung und Labsal giebt, da man von so vielem Widerwärtigen umgeben ist; von Weimar aus baldigst mehr.
treulichst
Goethe.