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An die Großherzogin Maria Paulowna

[Concept.]
Durchlauchtigste Erb-Großherzogin
Gnädigste Frau!

Ew. Kaiserl. Hoheit in diesem Momente schriftlich unterthänigst aufzuwarten, wo die lieben, theuren[205] Häupter Jena verlassen, halte ich für dringende Schuldigkeit; mir ist das Glück zu Theil geworden, dieser hoffnungsvollen Jugend während ihres Aufenthaltes öfters zu nahen und die Eindrücke zu beobachten, welche der ihnen ertheilte Unterricht nach und nach bewirkte.

Hiebey darf ich nun soviel versichern, daß die sämmtlichen Männer das ihnen geschenkte Vertrauen vollkommen gerechtfertigt und jeder nach Beschaffenheit und Art seiner Wissenschaft das Faßliche und, insofern es die Gegenstände erlaubten, das Unterhaltende und Angenehme zur Sprache gebracht. Hiedurch ist ein Anfang eingeleitet, welcher fortgesetzt werden, ein Grund gelegt, worauf man bauen kann. Da ist mir denn bey der Aufmerksamkeit, der Fassungskraft, dem Gedächtniß unsrer lieben Schülerinnen die Überzeugung geworden, daß auch eine Unterbrechung gerade nicht schädlich seyn werde: denn was einmal jungen Geistern anvertraut, in ihren aufgeregt ist, wirkt im Stillen fort und vermehrt sich durch allgemeine tägliche Erfahrung, indem alle, auch die verschiedensten Einzelheiten irgendwo angereiht und eingeordnet werden können, weil schon durchgreifende Lehren und ähnliche Gegenstände ordnunsgemäß eingeprägt worden, wornach sich alles Hinzutretende gern und methodisch richtet. Deshalb kann man auch überzeugt seyn daß jede didaktische Fortsetzung solcher Übungen, sie geschehe wann sie wolle, den [206] ganzen Wissensvorrath sogleich wieder beleben und in Zug bringen müsse.

Die gnädigsten Denkzeichen Ew. Kaiserl. Hoheit zufriedener Anerkennung haben sämmtliche Männer mit unterthänigstem Dank empfangen und wünschen nichts mehr, als Gelegenheit den ihnen selbst so angenehmen und zu mancher wichtigen Bemerkung Anlaß gebenden Unterricht seiner Zeit fortsetzen zu dürfen.

Da die würdige Frau Oberhofmeisterin sich selbst in dem Laufe dieser Wochen mit den Gegenständen bekannt zu machen, sich von den Lehren zu durchdringen gewußt, so wird dieselbe persönlich die Fortleitung und Vermehrung des einmal Gewonnenen bey den theuern Zöglingen am besten bewirken können.

In wenigen Tagen hoffe auch ich in Weimar wieder nachzufragen und in Beystand des Hofrath Meyers für den Augenblick wenigstens soviel zu wirken, daß, bis zum Einlangen Ihro Kaiserl. Hoheit gnädigsten Befehle, die Zeit auf's beste benutzt und, durch Verwendung auf Zeichnen und Sprachstudium, ausgefüllt werde, somit auch diese nothwendigen Theile höherer Bildung an die Reihe kommen. Wie denn was besonders Mineralogie betrifft, eine mitzutheilende kleine methodische Sammlung zu beliebiger Anfrischung des Gedächtnisses Anlaß geben kann. Auch der Belvederische botanische Reichtum wird in Spazierstunden gewiß mehr Aufmerksamkeit als sonst an sich ziehen, und zu Erweiterung der einmal aufgefaßten sinnlichen [207] Welt genugsam beytragen, worüber Höchstderoselben Anordnungen und Befehle erwartend, alles Heil und Segen wünschend p p.

Jena den 1. August 1817.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An die Großherzogin Maria Paulowna. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6FEC-C