32/190.
An Johann Friedrich Rochlitz
Nun möchte denn doch auch wieder einmal Zeit seyn bey Ihnen, mein werthester Herr und Freund, theilnehmend anzuklopfen, nach Ihrer Thätigkeit zu fragen, damit man doch wieder als mittlebend erscheine. Seit dem August vorigen Jahrs hab ich mir viel auferlegt und ist mir viel auferlegt worden, so daß diese Zeit, ob ich gleich gar keiner Zerstreuung Raum gebe und der entschiedensten Einsamkeit genieße, auch Tag und Stunde zu nützen suche, ich dennoch immer in Rückstand verbleibe. So schleicht sich denn auch die Erfahrung ein, daß das Alter weniger fördert als die Jugend und man nicht mehr von einer Thätigkeit zur andern so schnell übergeben kann.
Nehmen Sie ein Exemplar meines Divans als Zeichen des Zutrauens und der Hochachtung. Da ich mich einmal in jene Regionen gewagt, so hab ich, wie es auf Reisen zu gehen pflegt, mich länger verweilt, mehr Zeit und Kräfte verwendet als billig, auch zuletzt keine Anstrengung gescheut um endlich wieder nach Hause zu kommen. Sagen Sie mir nun auch etwas von sich und wie es mit Ihren literarischen und Kunstbeschäftigungen geht? Herr Weigel schreibt mir Entzücken von den Abenden, wo Sie [223] Freunden eine Beschauung Ihrer Schätze gewähren. Möcht ich doch auch Theil daran nehmen können!
teulichst
Goethe.