39/214.

An den Kronprinzen Ludwig von Bayern

[Concept.]

P. P.

Ew. Königlichen Hoheit gnädigst-wohlwollende Theilnahme, davon mir die angenehme Kenntniß seit mehreren Jahren auf mancherlei Weise zugekommen, gesellte sich zu dem schönsten Glück, das mir gegönnt ist. Diese Überzeugung nun Höchsteigenhändig bekräftigt, diesen hohen Vortheil bestätigt zu sehen, ist mir eine ganz unerwartet neue Freude.

Schon so lange begleite ich Ew. Königliche Hoheit auf Ihren Reisen auf Wegen und Stegen in dem herrlichen Lande, besonders in jener Stadt, wo auch mir zu tausendfältiger Einsicht bereiteste Gelegenheit ward, durch jene Stadt, nach der ich in Gedanken, wie nach einem verlornen Paradiese, immer wieder nicht ohne Trauern zurückkehre.

Auch Sie, verehrtester Fürst, haben empfunden daß die Zustände daselbst eigentlich nur künstlerisch, dichterisch ausgedruckt werden können; Sie fühlen sich genöthigt in rhythmisch-lakonischen Zeilen gewisse große Auffassungen in vielen Einzelnheiten darzustellen, damit das Angeschaute für immer bewahrt bleibe, und wie sehr ich durch diese Mittheilung gefördert worden darf ich wohl aussprechen; ich ward vielfach angeregt [239] und sah die mannichfaltigsten Gegenstände in ihren Eigenheiten mir wieder vergegenwärtigt.

Daß Höchst Dieselben jene von mir mit Neigung aus dem Kern erzogenen und sehr im Kinderzustande zurückgelassenen Pflanzen gnädigst beachten und einen frohen Wachsthum mit unschätzbarem Maaßstabe zu messen geruht, ist von der größten Bedeutung, denn es will sagen daß dasjenige was einmal in's Leben berufen ist, auch ohne weitere Sorge fern so gut als nah gedeihen mag, ja wohl auch einer liebevollen Theilnahme der Trefflichsten sich im echten Sinne zu erfreuen hat.

Die kühne Bitte um einen Abguß der unvergleichlichen Meduse haben Höchst Dieselben auf die gnädigste Weise zu verzeihen und zurecht zu legen geruht. Schon seit beynahe vierzig Jahren vermisse ich den sonst gewohnten Anblick eines Gebildes, das uns auf die höchsten Begriffe hindeutet wie sie sich dem Alterthum aus täglicher Gegenwart entwickelten. Höchst Dieselben haben das Glück so manche dergleichen Reste um sich zu versammeln, die, sonst auf ein Ganzes bezüglich, uns noch in uns selbst gegen die Zerstückelung des Tags zu einem höheren Ganzen herzustellen fähig sind.

Wenn ich nun diese herrlichen Schätze mit Augen zu schauen lebhaft begehren dürfte, so müßte mir doch das Glück Ew. Königlichen Hoheit persönlich aufzuwarten noch erwünschter seyn, da mir schon der unschätzbare Gewinn zu Theil ward, Höchst Ihro[240] huldreichen Eltern und den gleich gnädig für mich gesinnten Geschwistern unlängst in Verehrung und Zutrauen aufwarten zu dürfen.

Weimar den [6.] Juli 1825.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An den Kronprinzen Ludwig von Bayern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F14-E