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An Friedrich Schiller
Mein stilles Leben im Garten trägt immerfort wo nicht viele doch gute Früchte.
Ich habe diese Zeit fleißig Winckelmanns Leben und Schriften studirt. Ich muß mir das Verdienst und die Einwirkung dieses wackern Mannes im Einzelnen deutlich zu machen suchen.
An meinen kleinen Gedichten habe ich fortgefahren zusammen zu stellen und zu corrigiren. Man sieht auch hier daß alles auf das Princip ankommt woraus man etwas thut. Jetzt da ich den Grundsatz eines strengeren Sylbenmaßes anerkenne, so bin ich dadurch eher gefördert als gehindert. Es bleiben freylich manche Puncte, über welche man ins Klare kommen muß. Voß hatte uns schon vor 10 Jahren einen [160] großen Dienst gethan wenn er, in seiner Einleitung zu den Georgiken über diesen Punct etwas weniger mystisch geschrieben hätte.
Diese Woche bin ich wider meine Gewohnheit meist bis Mitternacht aufgeblieben, um den Mond zu erwarten den ich durch das Auchische Teleskop mit vielem Interesse betrachte. Es ist eine sehr angenehme Empfindung einen so bedeutenden Gegenstand, von dem man vor kurzer Zeit so gut als gar nichts gewußt, um so viel näher und genauer kennen zu lernen. Das schöne Schröterische Werk, die Selenotopographie, ist freylich eine Anleitung durch welche der Weg sehr verkürzt wird. Die große nächtliche Stille hier außen im Garten hat auch viel Reiz besonders da man Morgens durch kein Geräusch geweckt wird und es dürfte einige Gewohnheit dazu kommen, so könnte ich verdienen in die Gesellschaft der würdigen Lucifugen aufgenommen zu werden.
So eben wird mir Ihr Brief gebracht. Der neue tragische Gegenstand, den Sie angeben, tat auf den ersten Anblick viel Gutes und ich will weiter darüber nachdenken. Es ist gar keine Frage daß wenn die Geschichte das simple Factum, den nackten Gegenstand und der Dichter Stoff und Behandlung, so ist man besser und bequemer dran als wenn man sich des Ausführlichern und Umständlichern der Geschichte bedienen soll; denn da wird man immer genöthigt das besondere des Zustands mit aufzunehmen, [161] man entfernt sich vom rein Menschlichen und die Poesie kommt ins Gedränge.
Von Preiszeichnunen ist erst Eine eingegangen, welche in Betrachtung kommt und Seiten hat, einige andere sind unter aller Kritik und es fällt einem der durch jenes Räthsel aufgeregte deutsche Pöbel ein.
Wegen des Almanachs müssen mir nun einen Tag nach dem andern hinleben und das mögliche thun. Der dritte Gesang, den ich mit den Frauenzimmern durchgegangen, ist nun in der Druckerey und wir wollen nun dem vierten nachzuhelfen suchen. Es ist immer keine Frage daß das Gedicht viel Anlage und viel Gutes hat, nur bleibt es in der Ausführung zu weit hinter dem zurück was es seyn sollte obgleich inzwischen daß Sie es nicht gesehen haben viel daran geschehen ist.
Frau von Kalb läßt wirklich ihre Sachen wegschaffen und das Quartier wird also leer. Freylich wird es nur an jemand gegeben werden können, der es aufs ganze Jahr miethet. Indessen müßte man einen Entschluß fassen und wir hätten von Seiten des Theaters alle Ursache Ihnen diese Expedition zu erleichtern.
Der Bergrath Scherer, der sich zu verheirathen denkt, macht, höre ich, Speculation darauf; geschähe diese Veränderung, so würde bey Wolzogen die obere Etage leer, wo Ihre Familie wohnen könnte. Ihnen[162] gäben wir das Thouretische und würden, wenn Sie mit diesem hier zusammenträfen, für diesen schon ein ander Quartier zu finden wissen. Das muß man denn alles hin und her bedenken und bereden bis man zur Entschließung genöthigt wird. Und hiermit leben Sie für heute wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.
Weimar am 21. August 1799.
G.