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An Friedrich Constantin von Stein
Weimar, den 14. August 1794.
Deine gute Natur, mein lieber Sohn, verdient alles Lob, da du keinen der Fehler und übeln Gewohnheiten [180] deines Pflegefreundes angenommen hast. Du magst in der Abwesenheit nicht allein an deine Freunde denken, sondern schreibst ihnen auch gern, und wünschest von ihnen zu hören; du besorgest Aufträge willig und schnell, und was des Guten noch mehr ist.
Ich danke dir für deine beiden Briefe, und für das übersendete Prisma, das mir eben zur rechten Zeit ankommt. Das Steinchen an Fräulein von Imhof ist besorgt.
Wenn du die Fragen des Coadjutor's alle so gut beherzigst und beantwortest, als du den Theater- und Kunstartikel, den du mir gewidmet hast, so wird er wohl zufrieden seyn. Ich freue mich, die mannigfaltigen Betrachtungen zu hören, die du mit geradem frischen Sinne in einer so großen Welt und in diesem interessanten Momente machst.
Ich war dieser Tage in Dresden und habe mit Meyern eine gute Woche verlebt, und vergessen, welche Händel jetzt die Welt verwirren.
Am Rheine ist Alles in Furcht und Sorgen, auch meine Mutter hat eingepackt und ihre Sachen nach Langensalza geschickt. Würde es übler, so kann sie zu mir. Schlosser ist nach Baireuth. Ganz Deutschland ist in schadenfrohe, ängstliche und gleichgiltige Menschen getheilt. Mich verlangt von dir zu hören, wie es in England aussieht, dort verschlingt wohl die große Thätigkeit Alles. Für meine Person finde ich nichts Räthlicheres, als die Rolle des Diogenes zu[181] spielen und mein Faß zu wälzen. Ich treibe die dir bekannten Studien fort, und wünschte zu meiner Belehrung und Erbauung Manches zu sehen, das dir jetzt nah genug, ist, und dessen Anblick du mir wohl abträtest.
Lebe wohl, gedenke mein. Von den Marchand'schen Arbeiten besitze ich Abdrücke. Er ist ein braver Künstler, doch wünsche ich nicht eben seine Pasten zu besitzen. Nochmals lebe wohl.
G.