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An Marianne von Willemer
Ihr ausführlicher Brief, meine Theure, kommt in dem Augenblick, wo noch ein paar Blätter der vermehrungslustigen Pflanze vor mir liegen die ich alsobald [156] einpacken kann. Die Worte Ihres Briefes: »Die Blätter sind mit Erde bedeckt« lassen mich befürchten, die ersten seyen nicht zum Keimen gekommen, nur die Hälfte des Blatts wird in die Erde gebracht, die andere bleibt frey, oben aufliegend, doch so daß die Keimchen mit ihren Wurzeln die Erde berühren können.
Verlangte Blättchen liegen bey; auf mich machen sie einen wunderlichen Effect, wie eine Handschrift die man verleugnen möchte und doch anerkennen muß.
Mehr sag ich nicht damit das Blatt fortkomme. Die Überschwemmungen haben meinen Garten nicht erreicht, die Umgebung aber unerfreulich gemacht, so daß ich seit jener Zeit nicht hinabgekommen bin.
Möge alles Wohlergehen Sie am schönen Flusse umgeben und auch Sie auf einer zu unternehmenden Reise begleiten.
Mein Sohn hat die Lombardie mit Aufmerksamkeit durchwandelt und wird nun Genua erreicht haben. Gedenken Sie meiner überall zum besten. Nächstens noch eine Anfrage und Anerbietung. Folgen Sie mir immer freundlich in meinen vergangenen Zuständen und Thätigkeiten, lesen Sie hie und da zwischen den Zeilen, was nicht auf dem Blatte steht und glauben mich immer
so geschäftig als liebend
J. W. v. Goethe. [157]