74. Wie Kaiser Heinrich II. der Schwiegersohn Kaiser Conrads II. geworden ist.

(S. Curieuser Antiquarius S. 550, 624.)


Der Schwäbische Graf Diephold hatte im Jahre 1024 in Abwesenheit des Kaisers Conrad II. den Landfrieden gebrochen und mußte deshalb das Land meiden. Er floh in den Schwarzwald und verbarg sich da mit seiner Gemahlin in einer wüsten Mühle. Da begab es sich, daß der Kaiser auf der Jagd in jener Gegend von der Nacht überfallen ward und genöthigt wurde, in dieser Mühle ein Nachtquartier zu suchen. Der Graf machte sich alsbald aus dem Staube, die Gräfin aber mußte dableiben, denn sie sollte [95] niederkommen, und gebar auch noch in derselben Nacht einen Sohn. Der schlafende Kaiser hörte aber im Traume eine Stimme, welche zu ihm sprach: »Dieser Knabe soll allein Deines Reiches Erbe sein.« Dem Kaiser stand natürlich ein solcher Erbe nicht an und er befahl also einem seiner Diener, das Kind zu ermorden und ihm das Herz desselben zu bringen. Der Diener aber hatte Mitleid mit dem Kinde, legte es im Walde auf einen zwieselichten Baum und brachte dem Kaiser unterdessen das Herz von einem Hasen. Am andern Morgen reiste zufällig der Herzog Ernst von Schwaben durch den Wald und hörte das Kind weinen, nahm solches mit nach Hause zu seiner ohnehin unfruchtbaren Gemahlin und erzog es als ihren Sohn, gab ihm auch den Namen Heinrich. Viele Jahre nachher sprach Kaiser Conrad II. beim Herzog Ernst zu Ravensburg ein und nahm dessen angeblichen Sohn halb und halb mit Gewalt an seinen Hof. Indessen kam ihm unter der Hand der Gedanke, es könne dieser Heinrich vielleicht gar jenes Kind aus der Mühle sein. Er schickte also den jungen Menschen mit einem Uriasbriefe an seine Gemahlin, die sich damals gerade zu Aachen aufhielt und schrieb darin: hunc puerum necabis, nisi ipsa perire velis (diesen Jüngling wirst Du ermorden lassen, wenn Du nicht selbst des Todes sein willst). Heinrich nahm nun aber unterwegs zu Speier sein Quartier bei einem Domdechanten. Dieser Mann visitirte aber während jener schlief, aus Neugierde sein Reisegepäck, fand darin des Kaisers Brief, brach ihn auf, las ihn und corrigirte die Worte: hunc puerum necabis in: huic puero filiam dabis (diesem Jüngling sollst Du unsere Tochter zur Frau geben). Sobald er zu Aachen angekommen war, ward ihm natürlich ohne Bedenken die kaiserliche Prinzessin zur Gemahlin gegeben, der Kaiser aber erkannte hieraus die wunderbare Fürsehung Gottes und nahm den jungen Heinrich zu seinem Nachfolger an.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Die Rheinprovinz. 74. Wie Kaiser Heinrich II. der Schwiegersohn Kaiser Conrads II.. 74. Wie Kaiser Heinrich II. der Schwiegersohn Kaiser Conrads II.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5B2E-1