830. Jungfrauenordnung auf dem Schlosse zu Driedorf (1500-1600).

(Abgedr. a.d. Dillenburger Intellig.-Nachr. v. 1777 bei Henninger Bd. III. S. 181 etc.)

(Die Jungfrau spricht:)

Seyt still, hört zu, vernemt mich eben

Ich will Euch zu erkennen geben,

Welchs sey der Schloß-Jungfrawen Recht,

Dem vnderworffen Herr und Knecht

Allhier zu Driedorff, in dem Saal,

Auch sonst in dem Schlosse überall;

Ich bin ein Jungfraw tugendsam,

Den Lastern bin ich feind und gram,

Drumb wer mich nicht zur Straf will tragn,

Der soll nachfolgend Stück nicht wagn.


Erstlich welcher leichtfertig schwert,

Und Gottes Namen vervnehrt,

Die Element und Sacrament

Mißbraucht und Christi Leiden schendt,

Der bey seiner Seelen thut schwern,

Kann sich der Jungfraw nicht erwehrn,

Auch ferner Straf nicht wird entgehn,

Sondern ein Album oder zween

In Büchs erlegen soll alsbald,

Oder mehr nach Verbrechens Gstalt:

Doch soll er darumb nicht gedenken,

Als wann ihm Gott die Straf würd schenken,

Und daß die Sünd damit gebüßt,

Weil er die Jungfrau hat gegrüßt:

Ein höhere Straf den(en) ist bereit

Die lästern Gottes Herrlichkeit.


Darnach wer an hohen Festtagn

Die Kirch versäumt, dem thu ich sagn,

Daß jhm anhang die Jungfraw fein,

Ein Album soll er legen ein.

Wer auf Sonn- und Bettag dergleichn

Freflich der Predigt wird entweichn,

Der wird mit der Jungfraw verehrt,

Vier Pfennig der Büchs ist bescheert.

Wer die Wochen-Predigt veracht,

Der hat sich um zween Pfennig gebracht.


Ferner wer nicht zu rechter Zeit

Zum Essen sich hatte bereit,

Sondern zu Tisch wollt erst kommen

Wann die Sitz schon ingenommen,

Der wird die Jungfraw müßn habn

Mit zween Pfennig die Büchs begabn.


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Es soll keiner sich gewehnen,

Daß er Meßer wolt entlehnen

Oder eim andern eins leihen.

Die Jungfraw wirds keim verzeihen

Der(en) jedem nimmt zween Pfennig ab.


Noch mehr in (ihnen) anzuzeigen hab.

Wer über Tisch ein Grobian

Vnd ein vnflätiger Bran

– Mit Reden, Rülzen und ander Weiß

Wer auch verschütt Speiß oder Trank,

Verdient bey der Jungfraw kein Danck

Die Gläser und Krausen brechen,

Thut jedes mit zween Pfennig rechen.

Die aber sich also vollsaufen,

Daß sie wohl möchten überlaufen,

Die Zanck- und Schelt-Wort fangen an,

Die Jungfraw gar nicht dulden kan:

Vnd weil sie han so grob verbrochn,

So bleibts billig nicht ungerochn

Ein Batze die Büchs davon haben soll.


Zum sechsten man auch mercke wohl,

Daß Saal, Stuben und Geschirr seyn rein,

Das Saltz soll aufgesetzet seyn:

Wer daran wird saumig erfundn

Der giebt vier Pfenning zu der Stundn.


Noch ist ein Grobians Art,

Daß, welcher für den Tisch aufwart

Und sein Ampt nicht fleißig verricht,

Das Gießfaß nicht hat zugericht,

Die Essen nicht auftragt alsbald

Sondern sie leßet werden kalt

Die Händ nicht hat gewaschen rein,

Die Kleider nicht gebutzet fein,

Der soll die Jungfraw auch antragn,

So wird man ihn noch ferner zwagn

Mit der Peitsch oder Ruth fürwar

Nachdem erfordern seine Jar.


Spielen, wans geschieht mit rechter Maß,

Halt ich, daß man es auch zulaß,

Wer gewinnt, den wird es nicht verdrießen,

Die Jungfraw solches laße genießen.


Es soll auch ein jedes Fest

Die Jungfraw besuchen ihre Gest,

Und in die Büchs lan legen eyn,

Was eins jeden Ehr mag seyn,

Welches ein jeder willig thut,

Weil armen Christen komt zu gut

Dis ist auch der Jungfrawn Recht,

Daß keiner sie schmäh und anfecht,

Mit Spott-Worten und schimpfiren,

Oder höhnischem Vexiren:

Drumb soll sie jeder wohl kennen,

Anders nicht denn Jungfraw nennen.


Welchem die Jungfraw angehenckt,

Derselbig sich nicht lang bedenckt,

Sonder bezahlt sie an der Stat,

Dann sie niemand zu borgen hat:

Er wollt die Schuld denn doppelt gebn.


Noch mehr ich sag, vermerck mich ebn,

Welcher sich wolt zu Zorn begebn,

Der Jungfraw Ordnung wiederstrebn,

Und wann ihm die wird angehangn,

Wolt drüber einen Zank anfangn,

Deßen soll man nicht vergeßen,

Sonder ihm mit der Peitsch meßen,

Der Jungfraw soll er noch zu Ehrn,

In den Büchsen jhr Gelt vermehrn,

Wenn er aber gar vermeßen

Des Murrens nicht wolt vergeßen,

So soll man ihn von Tisch abweisn

Sich selber laßen wohl abspeisn,

So lang bis er sich deß bedacht,

Der Ordnung unterthenig macht.


Wenn jemand gehört oder gesehn,

Daß wieder die Ordnung geschehn,

Und solches nicht alsbald vermelt,

Der wird billig gestraft am Gelt,

Und wird ihn d' Jungfraw bracht behend.

Dis alles geschieht nicht zu dem End,

Daß die Jungfraw wolt samlen Gelt

Aus Geitz, wie gschicht in dieser Welt,

Sondern damit auf diese Weiß

Den Lastern werd gewehrt mit Fleiß

Und werd versorgt der arme Man,

Diß ist Gott lieb und wohlgethan,

Darumb ist diß Ordnung gfangen an.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Nassau. 830. Jungfrauenordnung auf dem Schlosse zu Driedorf. 830. Jungfrauenordnung auf dem Schlosse zu Driedorf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5AC5-6