[238] 292) Der Todtengräber zu Magdeburg. 1

Es sind jetzt über 200 Jahre verflossen, als in Magdeburg ein Todtengräber lebte, der mit dem Teufel einen Bund gemacht hatte, und in dessen Folge von dem bösen Feinde in einen Höllenpfuhl von Verbrechen und Sünden geworfen ward, zuletzt aber ein jämmerliches Ende fand. Dieser Todtengräber hatte einstmals Anno 1625 einen Trommelschläger unter den Kaiserlichen kennen gelernt, der gegen Kugeln und Hieb und Stich fest war. Das wollte der Todtengräber auch gern sein, und er fragte den Trommelschläger, wie er das anzufangen habe. Da gab ihm dieser einen Zettel, der gar toll mit allerlei Zeichen beschrieben war. Mit dem Zettel mußte nun der Todtengräber draußen aufs Feld unter das Hochgericht gehen, um Mitternacht sollte er da sein. Daselbst erschien ihm der Satan in Gestalt eines Cavaliers, anhabend einen gelben Koller, rothe Hosen und einen grauen Hut mit weißen Federn. Der fragte ihn, ob er Lust zu dienen hätte. Der Todtengräber antwortete: ja! worauf der Satan verschwand. In der folgenden Nacht mußte der Todtengräber noch einmal unter's Hochgericht gehen, wo ihm der Satan wieder erschien. Dieser fragte ihn, ob es bei der Abrede bleibe? Wie nun der Andere sich abermals mit Ja vernehmen lassen, da sind sie denn der Sachen vollends eins geworden, nämlich dahin, daß der Todtengräber sich dem Satan mit seinem Blute verschreiben solle, sein eigen zu sein funfzehn Jahre lang, hingegen solle ihn der Satan am Leibe unbeschädigt verwahren und ihm drei freie Schüsse geben. Als sie so einig geworden waren, verwundet auf des Teufels Befehl der Todtengräber sich mit einer Stecknadel auf der Hand und schreibt auf einen Zettel mit dem Blute die beiden Anfangsbuchstaben seines Namens, so Erdmann Fischer war, nämlich E. und F. und dazu drei Kreuze, weil er mehr nicht hat schreiben können. Auf diese Handschrift war er dem Teufel eigen. Eine Weile nachher, am Charfreitage, bringt ihm der Teufel ein Büchslein mit einer grasgrünen Salbe darin, damit er sich festmachen könne. Das hat er also auch befunden. Denn als bald darauf in dem damaligen Kriegswesen etliche feindliche Völker das Korn vor der Stadt Magdeburg verheerten und anzünden wollten, ist er mit den andern Bürgern ausgezogen und hat dasselbe tapfer vertheidigen helfen. Darüber hat er zwar einen Schuß mitten auf die Brust bekommen, derselbe ist aber nicht durchgegangen, sondern hat nur einen blauen Fleck auf der Haut zurückgelassen. Das sah des Abends sein Weib, als sie zu Bette gingen, und als sie daraus merkte, daß es nicht richtig mit ihm sei, da hat sie ihm ernstlich zugeredet und gesagt, daß sie Alles ihrem Beichtvater offenbaren wolle; er hat ihr aber das hart verboten, mit Bedrohung, er wolle sie sonst übel tractiren und sie solle nicht sicher vor ihm sein, worauf sie denn stillgeschwiegen.

Indessen verfing er sich immer mehr in des Satans Stricken; er war dem Gesöff und allerlei gottlosen Wesen ergeben; er konnte es nicht leiden, daß sein Weib die Kinder zum Gebet anhielt, sondern er sagte, sie sollten in des Teufels Namen beten; er half den Gotteskasten in der St. Johanniskirche bestehlen und verschwindelte das Geld, so er davon mitbekommen.[239] Zwar ging er einmal in sich und er versuchte nun des Satans los zu sein. Er hatte nämlich gehört, er werde frei sein, wenn er Andern seine Kunst beibringe und dieselben dem Teufel zuführe. Derohalben bot er einmal einem Knaben von funfzehn Jahren seine Salbe an, und er solle niemals beschädigt werden, wenn er sich mit andern Jungen herumschlüge. Der Junge wollte indessen nichts mit ihm zu thun haben. Ein andermal, als er einen jungen Kerl antraf, der Lust zu seinen Künsten hatte, trank er ihm diese zu in seines Bruders Namen, das heißt in des Teufels Namen, denn er nannte den höllischen Feind nicht anders als seinen Bruder, oder den Herrn Edelmann oder Herrn Urian. Er bildete sich nun auch ein, daß er den Teufel in der That los sei. Allein der Satan hatte doch nicht von ihm gelassen, sondern gebrauchte ihn noch zu vielen gottlosen Thaten. So gab er ihm einmal im Jahre 1636 im Frühjahr ein graues Pulver in einem weißen Papier, und hieß ihn dasselbe in den Gassen der Stadt ausstreuen, daß die Pest daraus erfolgen möchte. Und wie er nun nicht Alles ausstreute, sondern einen großen Theil in die Elbe warf, da trat auf einmal der Teufel zu ihm und wollte ihn strafen; wie er sich aber in seiner Angst gesegnete und betete: das Blut Jesu etc., da ist der Böse von ihm gewichen. Im Herbste desselben Jahres entstand wirklich die schreckliche Pest, die nicht blos die Stadt Magdeburg, sondern auch die benachbarten Provinzen verheerte. Ein andermal im Jahre 1656 befahl ihm der Satan durch eine grobe Stimme, die er wohl erkannte, ein Kind von drei Wochen, so denselbigen Tag auf dem St. Peterskirchhofe begraben worden war, auszugraben und von dessen Gliedern ein Pulver zu machen, solches aber auszustreuen, damit die Pest abermals in die Stadt komme. Diesem ist er gehorsam; als er gerade ein anderes Kind zu begraben hatte, öffnete er das Grab jenes Kindes, zerschlägt den Sarg, nimmt von dem Körper, was ihm der Satan geheißen, und macht ein Pulver daraus, indem er das neu zu begrabende Kind in das Grab legte. Des verstorbenen Kindes Eltern wurden zwar gewahr, daß das Grab geöffnet und ein anderes Kind darin beigesetzt sei, als sie ihn aber darüber zur Rede stellten, wußte er sich so herauszureden, daß sie nichts Böses vermutheten. Aber das Maaß seiner Bosheit war erfüllt und der gerechte Gott hatte beschlossen, ihn in die Hände der Obrigkeit zu wohlverdienter Strafe zu liefern. Drei Vierteljahre nachher, im August, als des verstorbenen Kindes Vater Schafe suchet, wird er in einer wüsten Kapelle beim St. Marien-Magdalenen-Kirchhofe seines Kindes mit Gewalt zerschlagenen Sarg gewahr, und als er dem gottlosen Menschen abermals zuredet, sucht dieser zwar sich zu entschuldigen; der Vater aber will damit nicht zufrieden sein, sondern bringt den Handel vor die Obrigkeit, welche den Uebelthäter zur Haft bringt und das Grab des verstorbenen Kindes öffnen läßt. Da hat man denn das Körperlein gefunden, wie sehr viele Knöchlein und Gliedlein daran gemangelt, worauf man den Verbrecher auf die Folter gebracht und er nun seine Sünden bekannt hat. Er hat dabei auch angegeben, wie er das Pulver, so er von den Gliedern des Kindes gemacht, an vielen Orten ausgestreuet, nämlich auf dem Augustiner-Kirchhof, an dem Orte, wo die Leinwand gebleicht worden, auf dem Steige, der vom Fischerufer heraufgeht, am breiten Wege, und in allen Gassen der Stadt an den Ecken. Er hat das gethan in der Nacht von eilf Uhr an; der Satan [240] ist in Gestalt einer schwarzen Ratze immer neben ihm hergelaufen und hat zu ihm gesagt: er solle nur sachte wegstreuen, dann werde die Pest schon kommen. Nachdem der Bösewicht also seine Schandthaten bekannt, ist er durch einen Rathsspruch zum Tode verurtheilt und darauf mit dem Rade hingerichtet worden. Dies ist geschehen am 26. October 1657. Der Satan aber hat Gewalt über ihn behalten bis an sein Ende; denn obgleich die ihm zuverordneten Prediger allen Fleiß an ihm thaten, so hat er doch, wie er zum Tode geführt wurde, von starken Getränken sehr viel zu sich genommen und nichts denn gottlose Worte gebraucht.

Fußnoten

1 Nach Gengenbach S. 84-86, und kurz bei Vulpius S. 302.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Provinz Sachsen und Thüringen. 292. Der Todtengräber zu Magdeburg. 292. Der Todtengräber zu Magdeburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5594-5