316) Die Hexe zu Egeln. 1

Am 26. August ist zu Egeln im Erzbisthum Magdeburg eine Hexe gefoltert worden, Namens Orthia Lindemann, welche zuerst von ihrer Mutter, einer gewissen Friedrich Düdingin, der Zauberei bezüchtigt worden war. Erst hat sie durchaus nichts bekennen wollen, allein als sie auf die Leiter gebracht und geweckt worden ist, hat sie Folgendes gestanden. Vor 14 Jahren, da sie bereits zwei Jahre ehelich verheirathet gewesen, habe sie in ihrer Mutter Hause einen Teufelsbuhlen, Jacob Blanke (ihre Mutter sagte, er habe Hans Federbusch geheißen) bekommen, der bei ihrer Mutter gewesen. Derselbe habe die Gestalt eines Schneidergesellen gehabt, denselben habe sie in Abwesenheit ihres Mannes, auch eines Schneiders, der gerade zu Brandenburg gewesen, mit nach Hause genommen, wo er drei Tage auf der Werkstatt gearbeitet habe. Sie habe anfänglich nicht Obacht gehabt, daß derselbe keine Menschenfüße gehabt, dann aber habe sie bemerkt, daß er nur einen ordentlichen Menschenfuß, wohl aber statt des andern einen Kuhfuß besessen. Am andern Tage habe er ihr einen ganzen halben Reichsthaler gegeben, daß er Herberge bei ihr haben wolle, wenn er komme, und er nicht auf die Schneiderherberge gehen dürfe, habe ihr auch zugesagt, wenn er käme, wolle er mehr bringen, sie solle mehr erhalten. Für den halben Thaler habe sie zwei Ellen Leinwand zu Krausen gekauft. Denselben Tag habe sie aber in der Oberstube, wo sie ihn beherbergte, mit ihm Unzucht getrieben und dies habe sie dann noch oft wiederholt, gemeiniglich sei er aber alle vier Wochen einmal [260] zu ihr gekommen, habe ihr bisweilen einen guten Groschen, bisweilen einen Schilling oder 10 Pfennige, einmal auch einen Scheffel Gerste gebracht und ihr verboten, das heil. Abendmahl zu genießen. Von diesem Umgange mit ihm habe sie nun gute Holden bekommen, welche in der Größe von großen Fliegen ohngefähr wie Kellerwürmer mit vielen Beinen gewesen, die sie zum Theil im Nettelthal unter einem Hollunderbusch vergraben. Ihre Mutter hatte sie dabei begleitet, war mit ihr hinaus in den Garten gegangen und hatte ihr gesagt, sie solle ein Bischen Wachs, Flachs, Käse und Brod bei denselben mit unter den Hollunderbaum einscharren und dazu die folgenden Worte sprechen:


Da wringet das Wachs,

Spinnet den Flachs,

Esset das Bischen Käse und Brod

Und lasset mich ohne Noth.


So wären sie unter dem Baum geblieben und nicht weiter zu ihr gekommen. Nach dieser Aussage hat die Hexe das Angesicht scheußlich entstellt, das Maul lang vor sich gespitzt, ganz wie einen Schweinerüssel, und ist dann wie todt hingefallen, also daß sie der Scharfrichter stark hat rütteln und bestreichen müssen. Ihrer Schwäche wegen ist sie dann auch nicht weiter scharf befragt, sondern alsbald lebendig verbrannt worden.

Fußnoten

1 Nach Reichard, Beiträge Bd. I. S. 393 etc.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Provinz Sachsen und Thüringen. 316. Die Hexe zu Egeln. 316. Die Hexe zu Egeln. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-517D-0