175) Der Name Gans von Putlitz. 1
Das Geschlecht derer Gans von und zu Putlitz war früher auch in der Altmark ansäßig. Der Name desselben ist aber auf folgende Weise entstanden. Im 12. Jahrhundert lebte ein junger Graf Gerhard von Mannsfeld; dieser war mit in der mörderischen Schlacht am Welpholze im Jahre 1115, und weil er fast der einzige war, der von einer großen Menge tapferer Ritter in dieser Schlacht sein Leben behielt und in die Gefangenschaft des Kaisers Lothar gerieth, so veranlaßte ihn dies in seinem Unmuthe zu sagen: »Hier stehe ich wie eine verflogene Gans!« Davon behielt er den Namen, den er späterhin, als ihm der Kaiser die Burg Podlyst oder Potlitz in der Priegnitz schenkte, mit dem Namen dieser Burg vereinigt führte. Eine fliegende Gans ist seitdem auch das Wappen dieses Geschlechtes. Von diesem edlen Geschlechte giebt es aber noch eine andere Sage und ein altes Volkslied, welches wir gleich hierher setzen wollen.
Mittwochs nach Judica des Jahres 1420 hat Markgraf Friedrich, Churfürst zu Brandenburg, die Stadt Neu-Angermünde in der Uckermark, welche in die siebenzig Jahre von den Herzogen zu Stettin innegehalten, bestritten und eingenommen, und weil er das Schloß nicht bald sammt der Stadt hat erobern können, hat er's belagert. So schreibt man auch, daß der Kastner [156] der Herzoge von Stettin nicht allein das Schloß, sondern auch das eine Thor noch inne gehabt habe. Da nun Herzog Kasimirus in Pommern, dieses Namens der Sechste, vernommen, daß er das eine Thor und die Stadt noch frei hätte, ist er Willens gewesen, mit Gewalt da hinein zu fallen und die Märker aus der Stadt zu jagen. Weil er aber von seinen Kundschaftern gehört, daß sich die Märker mitten auf dem Markt wohl beschanzt hätten, daß ein Herr von Putlitz mit 400 Reitern vor dem Thor zum Hinterhalt läge, hat Herr Dethleff von Schwerin, ein Ritter, gerathen, er solle sich erstlich an des von Putlitz' Haufen machen und denselben trennen, damit er hernach desto besser in die Stadt ohne Widerstand kommen möchte. Diesen Rathschlag hat der Herzog nicht annehmen wollen, sondern ist mit seinen hellen Haufen in die Stadt gezogen, und da er durch das Thor, so ein Kastner noch innen gehabt, hineingekommen, hat er in dreien Gassen drei Paniere aufgerichtet. Nun hatte der Markgraf sein Volk am Meisten in den Herbergen logiret und hin und her in der Stadt gelassen. Er selbst aber hatte sich mit etlichen Reitern auf dem Markt mit den Wagen beschantzt und sich darauf zur Ruhe begeben, weil er die vorige Nacht in Eroberung der Stadt große Mühe und Arbeit gehabt und nicht viel geschlafen hatte. Als nun Herzog Kasimirus unversehens in die Stadt gekommen und nun mit den Seinen nicht anders gedacht, denn sie hätten die Stadt wieder in ihrer Gewalt, haben sie Alle geschrieen: Stettin, Stettin, Stettin! Von solchem Geschrei ist der Churfürst sammt den Seinen erwacht, hat sich mit seinem Panier der Mark Brandenburg bald herfürgemacht und ist mit den Pommern in einen harten Streit mitten in der Stadt gekommen und ist da Dethleff von Schwerin und Peter Trampa, beide Ritter in der Spitzen des Herzogs, mit vielen andern geblieben und erschlagen worden, und weil der Herr von Putlitz mit seinen 400 Reitern auch hinzugedrungen, und die Pommern also recht mitten unter den Feinden gewesen, daß sie sich hinten und vornen haben wehren müssen, ist's ihnen unmöglich gewesen, etwas Treffliches auszurichten, sondern haben wieder durch das Thor, durch welches sie gekommen, zurückweichen müssen. Da das geschehen, hat der Markgraf mit gewaltiger gewappneter Hand den Kastner vom Schlosse getrieben, über dreihundert Mann von den Pommern und Polen und über 500 Pferde gefangen bekommen, welche die Märker folgenden Tages unter sich getheilt haben.
Von diesen Sachen findet man ein altes Sächsisches Lied, welches also lautet:
Wy willen singn ein nyen Rey, Na dem Winter kömpt vns de Mey, Dat hebbn wy wol vernamen, Dat Kettr Angrmünd gewonnen ward, dat nam die Marggraff framen.
Bischoff Magnus die vel edl Man, De sick die Muer thom erste anklam, Vor die Hauelude alle Vordienete wol vier vnd vefftig Schock met dem ersten anklamen.
Janicke van Briesn leth sick vthjagn, Van Ketter Angermünd bet thom Gryffnhagn, [157] Verkündigte nye mehre tho Stettin Vp deß hertigen Hoff, da sprack he tho sinem Erffherren.
Gnedige Herr, dat sy ju bekandt, Kettr Angermünd dat Stolperland, Dat wert so gar verdoruen, Dat duth ock Marggraff Friderick, sie sprackn he were gestoruen.
Die hertig leth thosamen vorbadn Der dutschen nock mehr denn der Paln, Sulffst reth he an der spitzen, Tho den vierradn vp dat hohe Hues, do ethen sy suete Fische.
Sie rehden dann tho den vierraden dauon, Folget na Stade vnd alle gude Man, Folget gy miner glitzen.
Sie quemen vor Angermünde vp den plan, Die Dohre weren en wit vp gedhan, He reth henin mit schalle, Sie riepen all thomal Stettin, Brandenborg were gefallen.
Die Ganß von Putlitz lag hinder den Grawen, Wo grimmig streckte sie eren kragen Bauen die Gryffen alle, Die Gryffen hatten die Flögel verlahrn, die Adler schwewete dar bauen.
Die Ganß war des Mudes also vol, Dorch die Muer brack sie ein hol Dörch die harte Feldsteine, Da sie vp den Marckte quemen, da weren erer thene vör einen.
De Schwerder gingn den Klincker den Klanck, Herr Dethleff van Schwerin die was der manck, Den pres wolde he erweruen, Des muste Herr Dethleff van Schwerin vör seinen Erffherrn steruen.
Da die Hertig dat gesach, Dat da Herr Dethleff vör jm lach, Gespettet als ein Brade, Ach milder Christe van Himmelrick, weren wy nu tho dem vierraden.
Da sprack sick des Hertige neheste Knecht, Gnedige Herr wern wy nu weg, Weren wy wente vth dem Dahre, Ick schwere ydt yuw by truwen vnd vorware, Den Priß hebben wy verlarn.
Die Hertig quam wol für dat Dahre, Dem Rosse gab he so balde die Sparen, Syn drawen muste he laten, Dho dem vierraden vp dat hohe Huß, darup ward er gelaten.
[158] He ging sick an der Borg tinnen stahn, Sin Höuet stack he thom Fenster vth, Van jammer vnd ock van lede, Kettr Angermünd du vele gute Stadt, wie kleglick mut ick van die scheiden.
Die vns dit nye Lied gesang, Ein Schmede Knecht is he genand, He heet sick köne fincke, He furht ein Hemmercken vp sine Hand, gut Bierken mag he wol drincken.
Fußnoten
1 Nach Temme S. 65, und Angelus S. 201.