707) Sage vom steinernen Kreuz bei Hohendorf.

Bearbeitet von Julius Schanz; metrisch behandelt von Fr. Rödiger.


Der Bauer Zöf in Hohendorf zog an einem Freitage frühzeitig aufs Feld hinaus, nach alter Sitte vier Stiere vor den Pflug gespannt, wie es im Egerland noch heute Brauch ist. Seine Tochter Brigitte begleitete ihn, denn sie sollte die vordern Stiere beim Ackern leiten. Sie hüpfte und sprang und lachte, daß sie fast das Läuten des Glöcklein überhörte, bei dem der Vater das Kreuz schlug. »Kind,« sprach er, »wer den Freitag mit Lachen grüßt, muß am Sonntag weinen! Es ist der Todestag Christi. Schütze Dich der liebe Herr Gott!« – Gegen Mittag sprengte ein Knappe aus dem Troß des Ritters von Reitzenstein quer übers Feld, der Brigitte liebte. Er sprang vom Pferde, und führte an ihrer Statt die Stiere, indeß sie zusammen kos'ten und tändelten. Als dies der Knecht Daniel sah, ergrimmte er im Herzen; denn er liebte die schöne Brigitte nicht minder. Der Bauer hieß ihn an den Pflug treten, da er einstweilen die Schlichteule vorbereiten wollte, und dies war dem Daniel eben recht. Eifersucht und Bosheit rangen in seinem Herzen und tausend böse Wesen umringten ihn: er warf die Reute nach dem Knappen und die eiserne Spitze derselben traf ihn tödtlich, zum großen Herzeleid Brigittens und ihres alten Vaters. Am Sonntag darauf wurde die Leiche begraben [99] und Brigitte schluchzte unter Thränen: »Wer den Freitag mit Lachen grüßt, muß am Sonntage weinen!«

Daniel, der Mörder, entfloh in's Weite, fand aber nirgends Ruhe. Ihm zum ewigen Brandmal steht als Merkzeichen seiner ruchlosen That ein Kreuz auf der Höhe, wo dieselbe geschah, daran die Reute bildlich eingehauen ist.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Zweiter Band. 707. Sage vom steinernen Kreuz bei Hohendorf. 707. Sage vom steinernen Kreuz bei Hohendorf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-44C1-A