498) Der rothe Stein. 1
Wenn man von Suhl die Straße nach Zella zu geht, steht, ehe man in das sogenannte Oberland gelangt, ohnweit des Weges ein rothfarbiger Porphyrfels nackt zu Tage, der heißt der rothe Stein. An seinem Fuße entspringt eine Quelle, deren Rinnsal man das rothe Bächel heißt. In diesen Stein ist eine Jungfrau gebannt und gezaubert, welcher vergönnt ist, alle sieben Jahre zu erscheinen; da sitzt sie, strählt ihr Goldhaar und nießt. Ein Mann hörte sie sechsmal nießen und rief ihr freundlich sein »Gott helf!« hinauf; als sie aber zum siebenten Male nießte, ward er zornig und schleuderte einen Fluch zum rothen Stein hinauf. Da rief eine klagende Stimme: »O hättest Du nur noch einmal gewünscht, daß Gott mir helfe, so wäre mir geholfen und ich erlöst worden! Nun muß ich im Steine bleiben bis zum jüngsten Tage.«
Bisweilen geht, wenn sie erscheinen darf, die Jungfrau bis zum rothen Bächel hinab, überschreitet es und wäscht sich darin. Eines Tages schritt ein Hochzeitszug am rothen Steine vorüber, vielleicht hinauf nach dem Gasthause zum fröhlichen Mann, da rief es mit heller Stimme aus dem Steine heraus: »Heute roth, über's Jahr todt!« so daß allen im Brautzuge das Herz erschrack. [458] Ein Jahr darauf aber war die junge Frau todt, der als glückliche Braut die schaurige Weissagung gegolten hatte.
Fußnoten
1 Nach Bechstein Bd. II. S. 27.