46) Die Rosen auf dem Birnbaume zu Bleifeld.
S. Eisel a.a.O. Nr. 683. Greß S. 86 fgg.
Vor Alters lag zwischen Schleifreisen und Bobeck mitten im Walde ein großes Dorf, Bleifeld genannt, jetzt ist es freilich längst nicht mehr da und an der Stelle der stattlichen Häuser seiner Insassen wächst jetzt düsteres Moos und Haidekraut, kaum zeigen noch einige zerbrochene Steine seine einstige Lage an.
In dem Dorfe wohnte aber einst ein steinreicher Bauer, der einen einzigen Sohn hatte, den er recht gern mit einer reichen Bauerstochter verheirathet hätte. Allein immer machte derselbe Ausflüchte, sobald er ihm diese oder jene gute Parthie anbot und der Alte kam natürlicher Weise bald auf den Gedanken, sein Sohn müsse eine geheime Liebschaft haben, die er ihm nicht sagen wolle oder könne. Er belauerte also seine Gänge und so belauschte er ihn denn eines Abends, als er unter dem Birnbaume im Garten einem braven, aber blutarmen Mädchen, der Tochter eines Tagelöhners aus dem Dorfe, ewige Liebe schwor und ihr aufs Heiligste versprach sie zu ehelichen. Zornig trat der Vater zwischen sie und betheuerte, nicht eher solle sein Sohn diese Betteldirne heirathen, bis der alte Birnbaum statt Birnen Rosen tragen werde. Der Himmel aber erbarmte sich der Liebenden. Im nächsten Frühjahre konnte man an dem alten Birnbaume, mitten unter den weißen Blüthen zwei Rosen blühen sehen, außen weiß, innen roth! Da regte sich denn auch des Alten Gewissen, er gab seine Einwilligung zur Verehelichung der Beiden und die arme Schwiegertochter pflegte ihn treulich bis an seinen Tod, besser als es wohl eine reiche gethan hätte.