Die Brille
Des Mittags, als es zwölfe war,
Setzt sich zu Tisch der Herr Aktuar.
Er schaut bedenklich, ernst und stille,
Die Suppe an durch seine Brille.
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Und durch die Brille, scharf und klar,
Entdeckt er gleich ein langes Haar.
»Nun!« – sprach die Frau – »das kann wohl mal passieren!
Hast du mich lieb, so wird's dich nicht genieren!«
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Er aber kehrt sich schleunigst um
Und holt die Flasche, die voll Rum.
Er trinkt und ist so sehr verstockt,
Daß selbst die Wurst ihn nicht verlockt.
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»Ach!« denkt die Frau, »wie wird das enden!«
Und sucht die Flasche zu entwenden.
Doch hierin kennt er keinen Spaß:
»Gleich stell' sie her! Sonst gibt es was!«
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Und schon ergreift er mit der Hand
Den Stock, der in der Ecke stand.
Die Frau versucht zu fliehn; indes
Der Hakenstock verhindert es.
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Ein Schlag, gar wohlgezielt und tüchtig,
Trifft und zerbricht die Flasche richtig.
Nun nimmt die Frau die Sache krumm
Und kehrt sich zur Attacke um.
[163]Sie hat die Brill' und freut sich sehr,
Der Mann steht da und sieht nichts mehr.
Er tappt herum als blinder Mann,
Ob er den Feind nicht finden kann.
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Und tappt in seiner blinden Wut –
Autsch! – an des Ofens heiße Glut.
Er dreht sich um und allbereits
Brennt ihn der Ofen anderseits.
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Nun aber wird die Wut erst groß –
Was es auch sei – er haut drauf los.
Die Suppenschüssel, Wurst und Glas
Wird ruiniert, der Hund wird naß.
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Und Frau und Hund entfliehn; doch er
Fällt mit dem Stuhl schnell hinterher.
Voll Eifer will er nach, und ach!
Rennt an die Tür mit großem Krach.
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Nun ist's zu Ende mit dem Rasen;
Das rote Blut rinnt aus der Nasen.
Und demutsvoll und flehentlich
Bemüht er um die Brille sich.
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Er nimmt mit Freud' und Dankgefühl
Die Brille von dem Besenstiel.
So triumphiert das brave Weib. –
Die Wurst hat Tapp, der Hund, im Leib.