887. An Nanda Keßler

887. An Nanda Keßler


Wiedensahl 18. Sept. 92.


Meine liebe Nanda!

In Anbetracht der gezuckerten »Hörnchen«, deren reichlicher Genuß nur zu leicht Herz, Mieder und Kopf beengt, hatt' ich von dem Erfolg der Kaßeler Galleriebesichtigung nicht eben eine hohe Meinung zurück mit auf die Reise genommen. Aber, sieh da! Es kam annersch! Nachträglich hat sich nun doch eine »Aufmerksamkeit« herausgestellt, von der ich, anmaßlich, wie man ist, sogar ein Theilchen auf mich selber beziehe und mehr dadurch erfreut bin, als durch Decorationsbilder, gemalt mit dem Farbenquaste schwungvoller Schmeichelei. Nur, was ich über den Grundbaß jenes Teniers gesagt, hat etwas anders gelautet: Ähnlich gebrannter Umbra, aber doch was Anderes; weil Umbra – Nun denn! Warum?

Und dann die hübschen Notizen nach der Natur, wobei Einem wirklich was vorschwebt. – Ich bitte um mehr dergleichen!. – Das Jahr minus 3 Wochen gestattet sogar einen tieferen Einblick in den Fleiß der Vergangenheit.

Den Samstag, nachdem ich euch verlaßen, mußte der Onkel bei klein Irmgard Gevatter stehn. Die Taufe, die eigentlich später sein sollte, wurde ihm in der Geschwindigkeit angepaßt.

Warm schien die Mittagssonne. Aus dem P[f]arrhaus, durch den Rosengarten, über den Kirchhof in die Kirche, bewegte sich der »stattliche Festzug«. Voran die Hebamme mit's Kind; es hatt' ein langs rosa Kleidchen an; silbergestickt; ein ältliches Familienstück. Dann kamen Vater und Mutter. Dann der Herr Gevatter, das blonde Trudchen an der Hand. Trudel ganz in Weiß mit rosa Schärpe. – Als das Irmgardchen 's Waßer gespürt hat auf dem Kopf, hat's ein Gesicht gemacht, so ein verzwicktes, daß der ernste Gevattersmann doch ein wenig hat lächeln müßen. – Zu Mittag gab's Supp, Hirschbraten, Pudding, Kuchen und Wein. – Am Montag darauf entwich ich nach Haus.

Mit Holland wird's nix von wegen der Häscher, die an der Grenze und sonst ihr zudringliches Wesen treiben.

Leb wohl, liebes Tantchen! Sei herzlich gegrüßt sammt Mutter, Schwester, Brüdern, und namentlich grüß mir auch Nelly die Schwebende und Hugo den Eifersüchtigen von

deinem braven

Onkel Wilhelm.


P.S.
Philine mit dem Häkelzeug,
Sagt, Leutchen, wie gefällt sie Euch? –
– Ja, wenn man nicht wüßt,
Daß sie's immer erst suchen müßt!

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Briefe. 887. An Nanda Keßler. 887. An Nanda Keßler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-33D5-7